Landanzeiger und Wynentaler Anzeiger (24. Januar 1991)

Mit Auge, Ohr und Herz

„Be-Sinnlichkeit“ von Kurt Haberstich

Gedichte und Aphorismen in bildhafter Sprache
Mensch und Natur eine Einheit? Eigentlich: die Natur braucht den Menschen nicht. Aber der Mensch die Natur. Um sie und geneigt, uns untertan zu machen, nach biblischem Auftrag, muss der Mensch bereit sein, der Natur zuzuhören, nachzuspüren, seine eigenen Kräfte mit den ihren in Einklang zu bringen. Ihr zu dienen, um sie zu beherrschen. Dazu gehören die Kraft und die Weisheit des Liebenden, der seine Liebesfreuden und Erfüllung dadurch empfängt, dass er ihre Wünsche über die seinen stellt. Sie so zur Entfaltung und Hingabe an den Liebenden bringt.
Kurt Haberstich, 1948 in Unterentfelden im Aargau geboren, ist ein Mensch, der Auge und Ohr, Herz und Sinn der Natur zur Verfügung stellt. Und dafür reichlich belohnt wird: die Natur antwortet ihm, zeigt ihm ihr Gesicht, das verborgene wie das offenbare. Beschenkt ihn mit ihren Gaben: Brot zum Leben, einer unendlichen, mitreissenden Freude am Dasein, gewährt ihm den Triumph, sie manches mal bezwungen zu haben: am Berg, im Schnee- und Eisfeld, mit dem Wissen um ihre mannigfachen Geheimnisse und der Zuversicht um die Wiederkehr des Lichts auch nach langen Schattenzeiten. Sie schenkt ihm die Gelasssenheit, nach einem Schicksalsschlag nicht zu verzweifeln, sondern von den vielen anderen Möglichkeiten des Lebens Gebrauch zu machen.

Das ermöglichte dem leidenschaftlichen Bergsteiger, der nahezu 500 Alpengipfel bestieg, auf den höchsten Bergen Nordamerikas und Perus stand, Spitzbergen durchquerte und im Alleingang auf Ski das Atlasgebirge beging, nach seinem Unfall mit dem Gleitschirm nicht aufzugeben, sondern sich hinzusetzen und seine Erlebnisse aufzuzeichnen. Bekannt wurde er bereits mit Fotoreportagen, nun bringt er uns seine Gedanken auch in Form von Gedichten nahe. In einer sehr bildhaften Sprache, man sieht den Berg vor sich, den „…steinernen Orden, an die Brust der Ewigkeit geheftet“. Oder man hört den Schrei „…der versiegelten Jahrtausende“ in den Schründen und Abgründen der Gletscher.

Edeltrud Katharina Timmermeister