Auch wenn Lyrik mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit sattfindet, spricht mich diese literarische Gattung am meisten an. Ich verabscheue Texte, die sich dahinziehen wie eine schleichende Krankheit. Die grösste Freude und Herausforderung beim Schreiben verspüre ich, wenn ich Zustände, Eindrücke und Erfahrungen möglichst kurz und in klarer Sprache wiedergeben kann.
Dass bei manchen Leserinnen und Lesern meine "Poesie" keinen Anklang findet, ist mir bewusst. Dass aber meiner Hingabe zum Schreiben ein tiefer Sinn zugrunde liegt, kann mir niemand streitig machen.
Für wen schreibe ich Gedichte?
Für den Wind, der es verwischt?
Für das Feuer, das es verbrennt?
Für das Wasser, das es auflöst?
Für die Erde, die es bedeckt?
Für euch, die mich lesen,
entschlüsseln,
vergessen?
Für wen?
Vielleicht nur für mich.
Feststellungen
Wir können die Zeit nicht anhalten,
aber innehalten können wir zu jeder Zeit.
Warum so viel im Kopf behalten,
sagt der Enkel,
auf der App ist alles abrufbar.
Den Finger an der Stirn sagt Opa,
weil hier kein Depp ist.
Ging einmal mit
Mutters Herzlichkeit spazieren,
plauderte da, winkte dort,
Zuneigung überall.
Weil sie so war.
Meine Mutter noch Kind,
wurde gefragt:
Was möchtest du werden?
Es sagte Mutter.
Nachkommen sagen Dank.
Belächelte Kinderträume
tagsüber
lassen keine Ruhe.
Nachts wachen sie auf
zu grossen Fantasien,
manchmal wirr.
Als wollten sie etwas sagen.
Hufgetrappel in der Gasse,
zahnloses Geplauder da,
dort Gesang aus einer Tür.
Vor der Bar Mandolinen.
Turteltauben im Park.
Eintracht unter Gleichgesinnten.
Zum Ausklang der Sichelmond
im Geäst alter Olivenbäume.
Bevor sie den Rollladen schliesst,
putzt sie immer das Fenster,
nicht dass jemand glaubt,
sie wolle etwas verheimlichen.
Aus gesundheitlichen Gründen
trinkt er keinen Alkohol.
Einmal malte er ein Bild,
als wäre die Farbe besoffen,
als Protest gegen die Abstinenz.
Hineingeflucht in die geballte Faust,
dass die Knöchel erbleichten.
Als sie sich löste,
steckte er sie in den Hosensack,
nicht dass jemand denkt,
er habe sich entschuldigt
bei sich für die Wut.
Barbusig sitzt sie da,
die Bronzene im Park,
mit leicht geneigtem Kopf.
Lange schon am diesem Ort,
um unerkannt zu sein.
Auch vom Kater,
der nachts um ihre Füsse schleicht.
Tagsüber auf dem gebeugten Knie
gelegentlich ein Spatz,
ansonsten grün von Patina.
Jungspunde mögen‛s abenteuerlich und laut,
Grauköpfe ruhiger und entspannter.
Bedürfnisse ändern sich,
wenn die Vernunft anklopft
am älter werdenden Gehäuse.
Blütenweiss harrt die
Leinwand auf der Staffelei.
Zu malen gibt es heute nichts.
Der Musiker von nebenan
hat die Idylle wegkomponiert.
Während eines Streitgesprächs
ergriff mich plötzlich eine Hand.
Die vom Vater?
Die Arbeit ist getan.
Unrast hält den Atem an.
Tagwerkmüde schläft das Dorf.
Einzig wach der Fluss.
Ihm ist die Rast versagt.
Leise strömend trägt er fort,
was plagen kann und traurig macht.
Als Komplizin webt die Nacht
am nahtlos dunklen Band,
das Tat und Traum vereint.
Mensch,
fleissig wie eine Biene,
stur wie ein Esel,
falsch wie die Schlange,
frech wie der Dachs,
schlau wie ein Fuchs,
herrschsüchtig wie ein Löwe.
Schau,
dass du nicht Löwe wirst!
Regen klatscht auf den Pagen,
der die Ankömmlinge beschirmt.
In der Halle Klaviermusik:
Herzlich willkommen verehrte Gäste!
Über den roten Läufer stöckeln Pumps.
In der Bar lauert der Champagner,
hofft auf den befreienden Knall.
Neben der Treppe strahlen Rosen.
Poliert wird noch am Silber,
gezupft an Tischtuchfalten.
Die Küchenmannschaft am Rotieren.
Herrschaften nippen nur vom Feinsten.
Im Hinterhof ein Obdachloser,
durchwühlt den Abfallsack nach Frass.
Solange es ging geschuftet,
danach versorgt weitab,
dass Ruhe sei im Dorf.
Im Mund genügsam einen Stumpen,
Vorbeifahrenden winken
und weiterhin angewiesen
auf das Gnadenbrot.
Knecht bleibt Knecht.
Homo modernus,
unterwegs
mit dem Auto, Flugzeug, Zug, Schiff, E-Bike,
Roller, Motorrad, Gleitschirm, Ballon, auf Kufen,
Skiern, Luftkissen, Rolltreppen, Sesselliften…
Auf zwei Beinen äusserst selten.
Bei Tag ist es noch
halbwegs zu erkennen,
doch schon im Dämmerschein
beginnt es zu verblassen.
Bricht die Nacht herein,
ist nichts mehr auszumachen
und das in einer Zeit,
in der jedes Geheimnis gelüftet wird.
Im zugefallenen Glück schwelgen,
in der Eintracht, im Frieden,
im stimmigen Ausklang des Tages.
Auf sonnenwarmer Bank dösen
und die Hand spüren,
die einen in den Schlaf wiegte und
man gefeit war gegen Nachtmahre.
Man stelle sich vor,
es wäre passiert,
wenn alle zusehen und sich
womöglich darüber amüsieren.
Gottlob war das nicht der Fall,
doch gilt es auf der Hut zu sein,
denn was nicht eingetroffen ist,
kann jederzeit geschehen.
Vermerke
Baue ein Schneehaus in dir,
damit das Gemüt nicht überhitzt
in Herzensangelegenheiten.
Meist dreimal die Woche
erhielt sie Post,
während Mitbewohner
in den leeren Kasten guckten.
An ihrem Begräbnis keine Adressanten.
Macht Platz für den Alten,
rief ein Junge aus der Schar.
Ging leicht ergraut zur Seite.
Hinter mir kam keiner.
Er reichte ihr die Hand,
doch sie zog ihre zurück,
konnte sich nicht verbinden
mit all dem, was nicht ist.
Wehmütig schaut die alte Frau
wie teilnahmslos der Herbstwind
mit dem welken Laub umgeht.
Wie viel ist das Leben wert,
sinniert der Alte
neben dem toten Vogel.
Weiss die Knöchel
vom Klammern
ans letzte Wegstück.
Weshalb so spät, fragt sie.
Weil alles was nicht möglich ist,
auch früher nicht gelingt, sagt er
und späht an einen Ort,
den sie nicht sieht.
Dann schweigen beide
ihren Weg entlang.
Er sei ihr nicht böse,
was sie über ihn sage.
Verletzend sei
ihr verurteilender Blick.
Fies sei er gewesen,
sagen die Verwandten,
mieden ihn zeitlebens wie die Pest,
wollten nichts mit ihm gemeinsam haben.
Sein Erbe nahmen sie natürlich an,
schliesslich war er einer von ihnen.
Liebe ist zart und verwundbar.
Wer grob mit ihr umgeht,
beisst auf Granit,
kaut nächtelang
am unverdaulichen Brocken,
bis das Herz versteinert.
Einmal reichte mir
eine Frau die Hand,
der man ansah,
dass mit ihr gearbeitet wird.
Sogleich bemerkte ich:
Achtsamer geht man mit Menschen um,
wenn einen die Hände belehren.
Kommt er nicht zu Wort,
legt er einem die Hand auf die Schulter,
dass man sich ihm unweigerlich zuwendet,
wenn auch nur für einen verständnislosen Augenblick.
Von der eigenen Partei nicht nominiert,
biederte er sich jenen an,
die je nach Wind das Volk umgarnen,
bis auch sein Bild prangte,
an einem Pfahl am Strassenrand.
Nicht zurück und keinen Schritt weiter,
verkündet er der Runde,
schliesslich sei er alt genug,
weshalb sich da noch gross bewegen,
es reiche, wenn die Gletscher schmelzen
und die Wolken ziehen.
Keiner soll versuchen,
ihm den Stillstand auszureden.
Noch liege es in seiner Hand.
Er sagt wir.
Sie sagt uns.
Er sagt farbig.
Sie sagt bunt.
Er sagt Liebe.
Sie sagt machen.
Beide nicken und lachen.
Überall angeeckt,
alles verlacht.
Jetzt taumelt er
benötigter Hilfe zu,
gesichert am Rollator.
Von wegen gute alte Zeit,
habt ihr eine Ahnung, polterte er,
was da alles aus dem Ruder lief,
keinen einzigen Tag davon
begehre ich zurück.
Beim Abschied durchs Fenster
noch bemerkt, wie er
die Kuckucksuhr vorstellte.
Am Sandstrand eine Frau,
verschalt mit Taucherbrille,
Schnorchel, Flossen.
Daneben eine zweite,
versucht sich ebenfalls als Fisch.
Später an der Bar
spülen sie mit Cocktails
das Salz von den Lippen.
Frappant, der Vergleich
zum Verhalten unter Wasser.
Was möchtest Du einmal werden?
General! Die Antwort des Knaben
wie aus der Pistole geschossen.
Und was möchten Sie werden?
Einer der Frieden stiftet.
Da lachte der Bub sorglos,
wie es der Jugend zusteht,
die Krieg noch für ein Spiel hält.
Diskussionen mit sich selber
verlaufen nicht immer einhellig.
Nur keine falsche Nähe,
mahnt die innere Stimme.
Gelegentlich wird eingelenkt.
Vorausgesetzt man ist im Recht.
Um nicht aus dem Rahmen zu fallen,
hängen die Ahnen an den Wänden.
Daneben rosten Harnische
der nächsten Schlacht entgegen.
Der Prunksaal hält was er verspricht.
Im Frauengemach das Himmelbett.
Beim Ausgang stumme Fanfaren.
Danach etwas weiser,
ohne dass sich etwas ändert.
Perfekte Haltung.
Betörende Ausstrahlung.
Mit hausgemachtem Lächeln mixt er Drinks.
Aufträge werden nickend registriert.
Missverständnisse sind selten.
Bei hitzigen Debatten behält er kühlen Kopf.
Indiskretes wird bewahrt.
Verschwiegenheit ist Pflicht.
Der Gast ist König, heisst die Devise,
auch wenn zu später Stunde das Adelige
manchmal aus den Fugen gerät.
Schliesst man die Augen,
öffnen sich manchmal Räume,
die der Verstand zusperrt.
Das Unterbewusstsein lässt
sich nicht befehligen.
Ruhetag im Berggasthaus.
Auf dem Sims sattrot Stadt Bern.
Darunter ein grüner Tisch,
zwei königsblaue Klappstühle.
Pünktlich das Postauto.
Ein Bub steigt aus,
verschwindet im Eingang.
Der Bus fährt ab,
dann ist es wieder still.
Sollte die Tageszeitung ausfallen,
der Frühstückskaffee schal sein,
der Honig zu süss,
das Essen versalzen,
das Wetter mies,
wünscht man sich
sonst wo zu sein.
Den Lebenslauf verfasst,
das Leichenmahl bestellt,
den Grabstein ausgesucht,
die Hinterlassenen enterbt.
Jetzt wartet er im Pflegeheim auf
den Vollzug, den er nicht erlebt.
Der Film hält was der Titel verspricht.
Nervenkitzel am laufenden Band.
Schüsse, Schreie, Gedröhn untermalt
von raschelnden Popcorntüten,
hüstelnder Frau und kicherndem Teen.
Die Schusslinie durch den Vordermann entschärft.
Draussen Stille und ein funkelndes Sternenmeer.
Der Eintritt frei.
Heute Abend werde ich stillstehen
wie die Strassenlaterne nebenan,
komme was will.
Werde Falter begrüssen,
auch Flügellahme, solche,
die auf der Suche sind nach Licht
und Nachtschwärmer aller Art.
Übrigens,
Neger nennt man Schwarze,
Indianer Farbige,
Eskimos Inuit,
Aborigines Ureinwohner,
Landstreicher Fahrende.
Im Restaurant Jägerstube
stehen Zigeunerspiess und Mohr
im Hemd auf der Speisekarte.
Von oben ist es deutlich:
Die schwindenden Gletscher,
die begradigten Flüsse,
die ausgetrockneten Felder,
die verpestete Luft.
Wer sich der Verantwortung
entzieht, bleibt unten.
Jemand hat sich erdreist,
einen unlesbaren Text
neben ein undefinierbares Bild zu stellen.
Vielleicht, um sich heimlich am doppelten
Kopfschütteln zu amüsieren.
Bleibe immer auf Distanz.
Habe kein Interesse an Kontakt.
Wurde allein geboren und werde allein sterben.
Weshalb also dazwischen Nähe suchen?
Das muss man doch verstehen,
sagt er, macht kehrt und verschwindet
eilig im Alleinsein.
Beim Packen immer sicher,
dass es reichen wird.
Unterwegs dann Zweifel,
ob nicht noch jenes hätte mitmüssen.
Beim Auspacken jeweils gewillt,
das nächste Mal weniger mitzunehmen.
Woher bloss kommt diese Ambivalenz?
Nach dem Zweikampf
gratulierte er dem Sieger und lachte
für Daheimgebliebene freundlich in die Linse.
Gedanklich ballte er die Faust und dachte,
das darf doch nicht wahr sein.
Dann war das Doppelspiel zu Ende.
Jäger und Sammler sollen wir sein?
Wer das sagt, kennt mich nicht.
Lebewesen lasse ich laufen und
gehortet werden allenfalls Glücksgefühle.
Also weg mit dieser Behauptung,
wenn es sich um mein Verhalten handelt.
Nie bin ich da, wenn ich zu mir komme.
Gleichwohl klopfte ich dann mehrmals an,
um sicher zu sein,
dass ich mich nicht täusche.
Zwischenspiel
Was sind wir doch
Einzelgänger geworden
im Gleichmass.
Wie misst man den Wert von Höhergestelltem?
Und wie macht man dessen Bedeutung verständlich?
Fragen umtreiben einen, wenn nicht nur das zählt,
was unmittelbar erkennbaren Nutzen bringt.
Sieht jemand den tieferen Sinn dahinter nicht,
fehlt dazu meist auch die begreifliche Erklärung.
Alte Kameraden aus der Musikbox.
Der vernebelte Stammtisch eingerahmt
vom Kachelofen und hitzigen Wortgefechten.
Vom Wirt in die Schranken gewiesen,
wenn schwarzer Humor zu bunt auftritt.
In der Ecke der Taubstumme,
zecht mit seinem Leiden um die Wette.
Die Serviertochter um keine Antwort verlegen.
Abende manchmal bis in den Morgen.
Eine Art Asyl. Auch für die Jasser,
wie jenem, der danach Haus und Hof
nicht mehr sein eigen nennen konnte.
Immer ein Glimmstängel zwischen den Lippen,
die eine Warze und ein Schnurrbart zieren.
Gleichmütig, ledig und kein Kirchenlicht.
Ohne Strümpfe in den Schuhen.
Auch sonntags.
Dafür eine atemraubende Ausdünstung,
dass die meisten verduften,
wenn sie vorbeilatscht.
Im Wirtshaus nach dem dritten Bier
ein hämisches Lachen,
wenn die Rede ist von so
genannten sauberen Herren,
die keine Nähe scheuen.
Jedenfalls nicht im Dunkeln.
Geburtsurkunde, Kinderzeichnungen,
Schulzeugnisse, Eheschein, Erbvertrag,
Reisepass, Goldmedaille, Silbermünzen,
Steuerbelege, Quittungsheft,
Liebesbriefe, Dienstbüchlein,
Fotos, Bussenzettel, Taschenuhr.
Neunzig Jahre Leben,
verschnürt in einem Schuhkarton.
Um den es geht ist nicht da.
Als Hauptperson ist Hans versorgt.
Die hier sind warten noch darauf.
Schinken mit Kartoffelsalat.
Schliesslich war er Bauer.
Zum Dessert Zuger Kirschtorte
und Kaffee Luz.
Obwohl er Abstinenter war.
Bevor man geht
noch ein paar lustige Anekdoten.
Gelacht habe er selten,
sagt ein Nachbar,
deshalb nannten wir ihn Ernst.
Eine Farbe definieren.
Auch so eine Rechtfertigung,
die ungeklärt bleibt,
wenn man nicht einen Fachmann fragt,
um unerkannt zu bleiben.
Es könnte der Verdacht aufkommen,
man habe es darauf abgesehen,
etwas zu beweisen,
das ohnehin persönlich ist
und niemand interessiert.
Was bleibt,
wenn wir Erde sind oder Asche?
Was wäre, wenn wir ewig blieben?
Ist es sinnvoll,
Spuren zu hinterlassen,
welche an kein Ziel führen?
Kann es anders sein als es ist oder
sorgen wir uns vergebens?
Vielleicht sogar umsonst.
Giacometti heisst noch bald einer und Alberto auch.
Aber dieser, im einfachen Grab, gibt’s nur einmal.
Nichts deutet darauf hin, was aus seinen Händen floss.
Neben dem Stein mit seinem Namen ein paar welkte Blumen.
Auf einer winzigen Tafel eingraviert Scultore Pittore.
Ihm wäre vielleicht das zu viel.
Ganz zu schweigen sein Porträt auf der Hunderternote,
die deswegen keinen Rappen mehr wert ist.
Getreu nach seinem Sinn, reduziert aufs Minimum.
Was kann es sein, das Menschen bewegt,
zu streben nach Reichtum und Macht,
mit Füssen zu treten Einklang und Pracht,
zuschauen, wenn andere leiden,
was Rückgrat benötigt tunlichst meiden?
Warum bereitet es Spass zu streiten,
weshalb gibt es Kriege zu allen Zeiten?
Wie kommt es, dass man Lügen Wahrheit nennt,
was ist es, das dauernd fordert statt hemmt?
Wieso fällt es uns schwer, Gefühle zu zeigen?
Warum ist uns Menschen das Boshafte eigen?
Ich weiss nicht warum!
Vielleicht sind wir einfach zu dumm.
Ob es Mitte oder Ende April passierte,
weiss man nicht genau.
Sicher ist nur, dass die Kirschbäume
noch nicht blühten und es regnete.
Wie sollte man sich an etwas erinnern,
das damals schon schwer zu deuten war,
wäre da nicht Wetterwendisches,
das bei Vermutungen für Gesprächsstoff sorgt.
Für sie hat er sich rausgeputzt.
Zuletzt noch angefeuchtet mit Parfüm.
Die Kellnerin bevorzugt reife Herren,
beachtet ihn nicht sehr.
Umso mehr ist er erstaunt,
als sie über seine Schulter ruft:
Was riecht denn plötzlich derart männlich?
Um die Röte im Gesicht zu kühlen,
bestellt er Sodawasser mit viel Eis.
Im Schein der Nachtkerzen
zieht der Abendstern auf.
Stille - bis die Tiere
der Dunkelheit erwachen.
Später wird sich der Mond verstecken
und hinter den Wolken verschweigen,
was der Morgen bringt.
Deine Nähe ermutigend
vor dem Ungewissen.
Nichts Besonderes heute Morgen.
Ein paar Mal das Wetter geprüft,
das Kalenderblatt gewendet,
den Schnittlauch gekürzt,
das Stromkabel verlängert,
keinen Brief erhalten,
der eine Antwort wünscht,
den Nachmittag verschlafen,
damit das Einerlei nicht
durcheinander gerät.
Mitunter ist es so wie immer.
Niemand interessiert sich oder
regt sich deswegen auf.
Soll doch alles verkommen,
ist ohnehin zu spät.
Keiner klagt den andern an.
Täter halten zusammen,
bis jeder für sich selber kämpfen muss,
schweissgebadet im ausgetrockneten Fluss.
Die Zeit, in der man meint,
die Ruhebank sei etwas für
Alte und Gebrechliche, kann schneller
vorbei sein als man denkt.
Auf einmal gehört man dieser Runde an,
wird sich hinsetzen, zum Himmel schauen
und in Erinnerungen schwelgen hoffnungsvoll.
Wehe, der Garten ist dann leer,
den man im Übermut versäumte zu bepflanzen.
Die Liebe und das Sehen:
Zwei grosse Mächte,
die sich allem entgegenstemmen,
die in der Lage sind,
die Wiederholungen des Alltags aufzubrechen
und sei es auch nur in Form kleiner Variationen,
sagt ein Lyriker namens Bleutge
und irrt sich nicht.
Die Rezeption verwaist.
Das Schlüsselbrett behängt.
Im Flur ein fahler Schein,
das Ticken der Standuhr.
An der Wand ein Bild
von zwei Männern die weggehen.
Beim Anblick der leeren Obstschale
ein Gefühl von Verlassensein.
Der Duft von frisch gemähtem Gras.
Am Waldrand das äsende Reh.
Tintenblauer Himmel über bauschigen Wolken.
Zu jedem Gedanken die passende Antwort.
Die Weite und Stille eines erfüllten Abends.
Als Krönung zum flüchtigen Besitz
die Erkenntnis,
das Glück auf seiner Seite zu haben.
Vergiss die Namen derer,
die sich abhandengekommen sind.
Denk nicht mehr an das,
was vielleicht hätte verbinden können.
Eventualitäten sind trocken zu legen,
wenn man sich mehr oder weniger
über Wasser halten will.
Urkraft
Was für ein Jubel,
dieses frühlingshafte Herausplatzen
aus dem gefrorenen Lächeln.
Eines Morgens,
noch lag Schnee,
das Lied der Amsel,
als wüsste sie,
nach was mein Herz sich sehnte,
monatelang.
Maienzeit blüht in mein Herz.
Barfuss über Wiesen laufen,
um willkommen zu heissen,
was der Winter verschonte.
Wenn die Sonne mitspielt
blinzelt der See.
Verwoben ins Muster der Landschaft,
im Rhythmus des Windharfenklangs
flimmert es weiter, auch wenn
man die Augen schliesst.
Vorausgesetzt man lässt es zu.
Standfest strebte die Arve empor,
mit zerzaustem Haupt
Hitze, Kälte, Stürmen getrotzt,
Königreiche überdauert.
Nun liegt sie würdelos am Boden.
Der Stamm zersägt, die Äste
ein erbärmlicher Haufen.
Zum Gedenken dauerhaft
belebender Duft.
Erwachte mitten im taufrischen Gras,
um mich herum nur Schweigen
und fast ein mulmiges Gefühl,
allein zu sein auf dieser Welt
bis ich sie wahrnahm,
die Ameise auf Augenhöhe.
Launischer April,
hält sich an keine Norm,
narrt Meteorologen,
lässt mädchenflinke Bächlein sprudeln,
dämpft munteres Gurgeln unter Schnee,
verscheucht Flaneure aus dem Park,
verbündet sich mit Blütenduft,
Graupelschauer, Sonnenschein und Sturm.
Unbeugsam schwingt er das Zepter und
jagt das Jahreswetter durch den Tag.
Ein paar Schritte
neben dem alten Bauernhaus
ein leuchtend gelbes Meer.
Im Lindenbaum Vogelstimmen,
Bienensummen, Insektenkrabbeln.
Kreisend im Blau der Milan,
pfeilschnelle Schwalben und ein Mai Geruch,
dass einem fast schwindlig wird,
hätte man nicht festen Boden unter den Füssen
und in der Hand den Stock fürs Gleichgewicht.
Nach dem Sturm ein Bild des Grauens.
Abgeschlagene Äste, umgeworfene Bäume,
geknickte Ähren, überflutete Häuser,
verwüstete Gärten, zerstörte Dächer.
Nur die Steine sind unversehrt.
Nicht immer ist es gut,
wenn die Härte überlebt.
Val Calanca - Name der Sehnsucht weckt,
Klang, der Erinnerungen wachruft.
Intakte Landschaft, urige Bewohner.
Steil die Flanken aus Granit.
Zerklüftet die Einschnitte.
Senkrecht die Schatten–
nicht minder die Sonnenseite.
Eingekerbt der wilde Bach,
spült klar die Abgeschiedenheit zu Tal.
Beim Eindunkeln,
wenn kein Wind weht,
kann man es hören,
das Schliessen
der Blüten zur Nacht.
Lasst ihn ziehn,
den brütenden Sommer,
ermutigt uns der Herbst.
Vergesst die Hitze, das Geflimmer,
den süsslich schweren Duft,
den Schatten unterm Baum.
Ich habe seine Glut gelöscht.
Geniesst nun meine klare Luft
und spürt das Blut wie es pulsiert,
in herbstlich kühlen Bahnen.
In Weidenkörben Feldfrüchte, Getreide,
Obst, in Arbeitshänden Kräutersträusse.
Über dem Altar dampft Räucherwerk.
Neben dem wuseligen Rummelplatz
verführerischer Bratwurstduft,
Maroni, Magenbrot und Most.
Gott sei Lob und Dank.
Eine Wanderung im Nebel
ist wie ein Eintauchen in eine andere Welt.
Das Konkrete ist verwischt.
Undeutliches regt die Fantasie an
und schärft die Beobachtungsgabe.
Sturmwind rüttelt im Gebälk,
fährt unbeugsam durch Mark und Bein.
Nebelschwaden lauern vor der Tür
und Schwermut schleicht in das Gemüt.
Fahles Laub schwirrt durch die Luft
wie eine verschreckte Vogelschar.
Aus trübem Himmel Graupelschauer,
auch auf jene die längst ruhn.
Der Nebelmond schliesst niemand aus.
Bekanntgaben
Wer weiss,
vielleicht
würdest du nein sagen,
hättest du den Mut.
Nimm mich beim Wort,
fordert das Gedicht,
zerpflücke mich,
dass ich werde.
Manchmal lässt man uns so, wie wir sind.
Manchmal macht man aus uns, wie wir sein sollen.
Manchmal machen wir aus uns, was wir sein möchten.
Manchmal machen wir aus uns gar nichts.
Einmal werden wir sein, was wir nicht mehr sind.
Wenn sie sich mit Klassikern befasse
merke sie, wie dürftig ihre Texte seien.
Und meine Abfassungen?
Was ist schon dabei,
wenn meine Gedichte untergehen
in der Flut poetischer Publikationen.
Als Schlosser habe ich Objekte geschaffen
die auch standhalten,
wenn der Meeresspiegel steigt.
Beim Verseschmieden gibt es kein Erbarmen.
Da kommen Texte unter den Hammer
und werden gestaucht,
bis nur noch Wesentliches übrigbleibt.
Für einige Prosaisten ein triftiger Grund,
sich vom Lyrischen fernzuhalten.
Dichten will sie
wie ein Orchester spielt.
Papier und Bleistift sind vorhanden.
Was fehlt sind melodische Gedanken.
Anfangs hatte er vor,
sein erstes Buch selbst zu verfassen,
lehnte sich dann aber zurück,
hielt es wie die Prominenz und
übergab die Arbeit einem Schreiber.
Jetzt prahlt der Debütant mit seinem Werk,
von dem er keine Ahnung hat,
wie es entstand.
Im Kern bin ich noch immer Schlosser,
lege keinen Wert auf Stand.
Schon gar nicht auf den Adel.
In meinen Adern fliesst Handwerkerblut.
Zum Ausgleich schreibe ich Gedichte.
Seltsam, sagte jüngst jemand,
ein Arbeiter der dichtet, dachte,
Handwerker befassen sich nur
mit konkreten Dingen.
Ein Zuhörer erwiderte, unterschätze
nie jemandes Wirkungskreis.
Es sollte mehr Dichter geben,
sagt die Leserin.
Umgekehrt wäre dienlicher,
entgegnet einer,
von denen es mehr geben sollte.
Sie hat nichts getan.
Niemals und keinem.
Als sie ging, schrieb sie
schuldbewusst auf ein Papier:
Ich entschuldige mich für alles
Unterlassene!
Zuweilen kommt mir vor,
als hüpfte ich auf Worten davon,
gibt der Schreiber halblaut zu.
Kann schon sein, sagt die Lektorin,
Denker sind immer einen Sprung woanders.
Auch wenn man keine Tat bereut,
könnte einen doch ärgern,
was man hätte tun sollen,
um am Ende ganz zu sein.
Spatzen pfeifen es von Dächern,
Tauben gurren es im Schlag,
Schwalben verkünden es im Flug,
Eulen orakeln es zur Nacht.
Ansonsten wenig Interesse an Hypothesen.
Ob ich auch Texte für Kinderbücher schreibe,
wollte ein Illustrator wissen. Ich glaube,
sagte ich damals als Siebzigjähriger,
dass ich dafür noch zu unreif bin.
Was für ein Wonnemorgen,
nach einer um Worte ringenden Nacht
ein reines Gedicht von Rilke zu lesen.
Legt mir meine Prophezeiungen auf die Brust,
wenn ich dereinst ins Feuer gehe,
dass in Rauch aufgeht, was man bezweifelte,
nicht, dass später jemand fündig wird und sagt,
seht her, hier hat es einer damals schon gewusst.
Als sie vorige Woche auf Seite
hundertachtundsechzig zufällig Goethe traf,
vergass sie ihn zu grüssen.
Halb so schlimm, sagte er,
das ist mindestens schon tausend Mal passiert.
Früher sagte sie nichts.
Wenn sie heute redet,
hört ihr keiner zu,
weil niemand annimmt,
dass sie spricht.
Nicht, dass ihr glaubt,
es sei uns nicht bewusst,
dass alles schon beschrieben wurde
und wir uns sparen könnten,
Ähnliches zu Papier zu bringen.
Gerade deshalb werden wir es tun,
unsereiner will doch auch dazugehören.
Papierverschwendung,
sagt der Lyriker zum Prosaist,
der einen Roman schreibt
unter dem Titel „Weniger ist mehr“.
Ein Lyriker wurde aufgefordert
seine Biografie zu verfassen.
Als ob in Gedichten nicht genug
Persönliches preisgegeben würde.
Mitten in der Nacht erwachen,
Licht machen und ein Gedicht aufspüren,
das sich davongeschlichen hat
wortlos.
Manch ein Gedicht,
das auf Anhieb gelungen scheint,
empfindet man später als ein Klecks
im Reinschreibeheft.
Nachts belagert das ABC den Schlaf,
bedrängt die ruhende Fantasie,
bildet Worte, verdichtet, löscht,
verschwindet heimlich.
Tagsüber die Suche oft umsonst.
Da nützt auch grübeln nichts.
Wieso sich also den Kopf zerbrechen?
Es reicht,
mit dem Alltäglichen zurechtzukommen.
Was ist schon dabei,
wenn vergessen geht, was nicht bleibt
und ohnehin niemand interessiert.
Man nehme einen Schnappschuss
von einem hochrangigen Herrn,
ein Bild von einer frivolen Dame,
verbinde die beiden mittels Photoshop
zu einer eindeutigen Pose,
hänge eine unseriöse Bildlegende an,
würze den Text mit einer Prise
journalistischem Hochmut
und fertig ist das Gerücht.
Der vollgestopfte Abfalleimer
und ich die einzig Wartenden.
An der Wand zwei schäbige Plakate,
auf baldige Ablösung hoffend.
Die verklebte Bank sträubt sich
darauf Platz zu nehmen.
Durchnässt vom Platzregen der Wunsch,
in einem Liegestuhl am Meer von einer
schmuddeligen Bushaltestelle zu träumen.
Als Kummer und Sorgen Fremdwörter waren,
man Kandiszucker anstelle von Bonbons lutschte,
die heimlich gepafften Zigaretten Brechreiz auslösten,
auf Strassen gefahrlos gespielt werden konnte,
Kleider der älteren Geschwister ausgetragen wurden,
Barfuss laufen Sommer hiess und Kuhnagel Winter,
war das Heranwachsen derart bereichernd,
dass es sechzig Jahre später die Augen
noch zum Leuchten bringt.
Vielleicht wäre es besser geworden,
wenn es dafür einen Plan gegeben hätte.
Womöglich wären dann auch die Kosten tiefer gewesen
und weniger Ressourcen verschwendet worden.
Ob das Vorhaben mit einer Anleitung
zu einem Erfolg beigetragen hätte,
ist anhand von Vermutungen nicht erwiesen.
Deshalb erübrigen sich weitere Argumente.
Schweigen
bis es dem Rest
die Sprache verschlägt,
dass die Stille zu Wort kommt.
Es ist beglückender,
durch die offene Tür
eines einfachen Hauses zu treten,
als vor dem verschlossenen Tor
eines Palastes zu stehen.
Jede Begegnung
kann zu einem kleinen Fest werden,
wenn dabei ein wärmendes Lächeln,
ein verständnisvolles Wort,
eine nette Geste oder ein versöhnlicher
Händedruck enthalten sind.
Wege
Wo er wohl enden würde,
der Weg,
wenn man ihn ginge.
Unterwegs auf einem Bergweg,
ohne jegliche Vorwarnung packt sie aus,
vielleicht fünfzig und brünett,
von der traurigen Jugend, der Misshandlung,
vom lieblos gemachten Kind, dem Suizid der Mutter,
der vermaledeiten Verwandtschaft und welche
Hürden sie sonst noch zu bewältigen habe.
Dann ein hastiger Blick auf die Uhr,
sagt tschüss und geht.
Seltsam denke ich,
wie mich jemand mit seinem Leben stehen lässt,
das mich eigentlich gar nichts angeht.
Einladend wirkt sie nicht, die Nebelbank.
Trotzdem zieht es einen ins Ungefähre.
Geschuldet möglicherweise der Neugier,
um Schemenhaftes auszumachen,
das an klaren Tagen zu deutlich ist.
Felsen, Alpweiden, Vieh
und Arbeit genug.
Raue Hände, zerfurchte Gesichter.
Keine Klagen, wenig Worte.
Ein Leben hart, schön und frei.
Klarheit, obwohl die Nächte lichtlos sind.
Der nächste Nachbar ausser Sicht.
Wer‘s einsam will,
geht runter in die Stadt.
Viele werden es erfahren, tönt die
brüchige Stimme aus dem Bettkäfig,
dass Vergangenheit nicht einzuholen
und Zukunft ein Fremdwort ist.
Was vorher nicht geregelt wird,
kann hier nicht mehr entschieden werden.
Dann muss man wie es mir geschieht,
sein Ende fremdbestimmt erleben.
Weshalb es einen in die Höhen zieht,
kann man nicht den Bergschuhen zuschieben.
Auch am Rucksack liegt es nicht und die Steigeisen
haben ebenfalls nichts damit zu tun.
Ebenso kann das Bergseil nichts dafür,
obwohl es zwei Enden hat.
Am wenigsten trifft den Eispickel die Schuld.
Bleibt anzunehmen, dass dafür
Betroffene selbst haftbar sind.
Von unten bis oben
tausend Meter.
Leicht zu berechnen.
Dazwischen heikle Stellen,
wo Zahlenlehre nutzlos ist.
Mein Rucksack und ich abgewetzt
an hunderten Bergen und drei Stürzen.
Über zwei Jahrzehnte ein vertrautes Paar.
Jetzt hängt er an einem Haken
und träumt vielleicht wie ich
von kühnen Taten, sonnigen Tagen,
eisigen Nächten und seltenen Ausblicken.
Ob er sich an den Ruhestand gewöhnt
und der neue an meinen Rücken,
wird sich weisen.
Eines Morgens,
als der Wind einschlief,
der Adler seine Kreise zog,
flog mir ein Lied von Freiheit zu,
dass ich nicht umhinkam,
den Tag schon früh zu loben.
Heute kein Bedürfnis nach Gelehrsamkeit,
lieber den vertrauten Weg entlang,
damit man nirgends staunen muss
am Wundervollen, Unbekannten.
Tage gibt’s, da reicht’s zu wissen,
dass es Dinge gibt, die einen übermannen
und man sich schont, das heisst,
das Gemüt nicht allzu sehr belastet.
Behände über Stock und Stein,
als ging‘s der Kindheit zu
bis der kurze Atem mahnt:
Alles zu seiner Zeit.
Über dem Alltag,
abseits von Missmut und Verdruss,
entfernt von Hektik, Trübsal und Neid,
wo irdische Anliegen bedeutungslos sind,
Stille, Frieden, Genügsamkeit.
Lebensfreude pur.
Im stummen Zwiegespräch sind wir vereint.
Brüderlich nicke ich ihnen zu und denke,
Steinbock müsste man sein.
Fern vom Gleichmass,
jenseits aller Spekulation,
wo das Tagwerk mit dem Erwachen beginnt,
nach dem Eindunkeln endet,
wo man hören, fühlen, riechen, schauen kann,
Körperkraft gefragt ist und die Stirn verschwitzt,
drehen die Zeiger der inneren Uhr natürliche Runden.
Die Natur passt in jedes Gemüt.
Im achtsamen Unterwegssein
stellt man beglückend fest,
dass Dinge erfasst werden,
die im eiligen Vorbeigehen
verborgen bleiben.
Beim Abschied
deine schwere Hand leicht
wie ein Vogel der auffliegt
ohne Wiederkehr.
Aphorismen
Wie viel Erkenntnis doch in einem
einzigen Satz enthalten sein kann.
Tiefschläge erweitern
den Horizont.
Im geklärten Weihwasser
das Kirchenschiff in Schieflage.
Schäfchen über Bord.
Ratten am Festklammern.
Ein Narr,
wer glaubt,
auf Narren verzichten zu können.
Verwandtschaft,
aneinandergereiht wie Zähne,
um zuzubeissen,
wenn das Erbe angerichtet ist.
Liebe,
fallenlassen, im Vertrauen
aufgefangen zu werden.
ICH LIEBE DICH,
stand auf dem Kärtchen im Rosenstrauss.
Kurz danach liessen sie die Köpfe hängen.
Wenn es nicht mehr weitergeht
beginnt es …
Der Bettler hockt am Boden.
Almosen fordern einen Knicks.
Seit mir die AHV das Maul stopft,
mundet mir jeder Bissen.
Wolldecken zum Spottpreis,
steht fettgedruckt in der Zeitung,
mit der sich der Obdachlose zudeckt.
Hängt der Baum voller Kirschen,
isst er nie mehr als eine Handvoll.
Scheinbar hat er so grösseren Anteil an der Fülle.
Mutter!
Ein bescheidenes Wort
mit enormer Wirkung.
Angeblich haben die Schotten
vierhunderteinundzwanzig Wörter für Schnee.
Hier geben sich Touristiker mit zwei zufrieden:
Weisses Gold.
Deutlich liest sich
das Ungesagte
in deinen Augen.
Beizensterben.
Im Quartier
beginnt die Trockenzeit.
Als Fremder gehört
man fast zu denen,
die nicht gekommen sind.
Jeder Herzschlag mehr
ist einer weniger.
Für kühlere Zeiten
deine wärmenden Worte
im Ohr.
Junges Gemüse lockt
alte Hasen aus der Deckung.
Sie haben Glück sagt der Obdachlose,
heute bettle ich zum halben Preis.
Hunger,
allein das Wort
lässt den Magen knurren.
Im Grunde ist Besitz nichts
als Angst vor Verlust.
Wenn der letzte Vorhang fällt,
beginnt das Erben Theater.
In der Stadt
streift alle hundert Meter
ein gelbes Zebra den Asphalt.
Daas wichdikste
am Dickdat
isst tie rechtsschreipungg.
Vielleicht haben wir zwei Ohren
und nur einen Mund,
weil wir mehr zuhören
als reden sollten.
Was wäre
das Vaterland
ohne Mutter?
Ach,
könnte ich wie das Herbstlaub
im Loslassen tanzen.
Ausruhen ist keine Zeitverschwendung,
sondern ein dankbares Annehmen
aus des Lebens wahrer Fülle.
Aus einem Fünkchen Herzlichkeit
entzünden sich zuweilen kleine Flämmchen,
die im Laufe der Zeit zu einem Leuchtfeuer erstrahlen.
Jeder braucht einen sicheren Hafen,
in dem er sich ab und zu von den Stürmen
des Alltags erholen kann.
Mag auch alles erforscht sein,
die Natur offenbart uns immer neue Geheimnisse.
Wer im Bescheidenen das Kostbare entdeckt,
findet so manches Glück im Alltag.
Um Erfahrungen auf dem Lebensweg zu sammeln,
ist die ausgetretene Spur ungeeignet.
Wahres Er-leben findet abseits
der Konsumstrassen statt.
Kämpfe nicht gegen das Geschehene.
Stärke das Annehmen.
An seiner Grabrede wurde
die Tradition weitergeführt,
dass es schlechte Menschen
nur zu Lebzeiten gibt.
Habe nichts versäumt,
prahlt der Wankelmut.
Meinst du, raunt das Erhoffte.
Das Januarloch im Kaufhaus
stopft im Skigebiet der Schnee.
Eine Familie ohne Mutter
ist wie ein Rad ohne Nabe.
In der Natur spielen wir
die erste Geige
bis alles flöten geht.
Gott, allgegenwärtig
in ewiger Absenz.
So nicht, klagen die einen.
Deshalb geht es uns gut,
sagen die andern.
Das ist es ja!
Wer hätte das gedacht,
sagte der letzte Mensch.
Egal, wieviel man zeitlebens schreibt.
Am Schluss genügt ein einziges Wort.
Amen!