Weshalb ich Gedichte schreibe
Auch wenn Lyrik mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit sattfindet, spricht mich diese literarische Gattung am meisten an. Ich verabscheue Texte, die sich dahinziehen wie eine schleichende Krankheit. Die grösste Freude und Herausforderung beim Schreiben verspüre ich, wenn ich Zustände, Eindrücke und Erfahrungen möglichst kurz und in klarer Sprache wiedergeben kann.
Dass bei manchen Lesern und Leserinnen meine "Poesie" keinen Anklang findet, ist mir bewusst. Dass aber meiner Hingabe zum Schreiben ein tiefer Sinn zugrunde liegt, kann mir niemand streitig machen. Konstruktive Kritik nehme ich gerne entgegen, denn es ist mir wichtig, dass meine Ausdrucksweise verstanden wird.
Für wen
Für wen schreibe ich Gedichte?
Für den Wind, der es verwischt?
Für das Feuer, das es verbrennt?
Für das Wasser, das es auflöst?
Für die Erde, die es bedeckt?
Für euch, die mich lesen,
entschlüsseln,
vergessen?
Für wen?
Vielleicht nur für mich.
Möglichkeiten
Südliches Zwischenspiel
Derweil der Polizist den Blick
ins Ungefähre richtet,
macht sich der Dieb ein Bild
von meiner umgehängten Kamera.
Eine
Immer ein Glimmstängel zwischen den Lippen,
die eine Warze und ein Schnurrbart zieren.
Gleichmütig, ledig und kein Kirchenlicht.
Ohne Strümpfe in den Schuhen.
Auch sonntags.
Dafür eine atemraubende Ausdünstung,
dass die meisten verduften,
wenn sie vorbeilatscht.
Im Wirtshaus nach dem dritten Bier
ein hämisches Lachen,
wenn die Rede von so genannten
sauberen Herren ist,
die keine Nähe scheuen.
Jedenfalls nicht im Dunkeln.
Feierabend in der Dorfbeiz
Alte Kameraden aus der Musikbox.
Der eingenebelte Stammtisch umrahmt
vom Kachelofen und hitzigen Wortgefechten.
Vom Wirt in die Schranken gewiesen,
wenn schwarzer Humor zu bunt auftritt.
In der Ecke der Taubstumme,
der mit seinem Leiden um die Wette zecht.
Die Serviertochter nicht gefallen,
schon gar nicht auf den Mund.
Ab und zu dem einen gefällig,
dem anderen Hörner aufgesetzt.
Abende, die manchmal
bis zum Morgen dauern.
Eine Art Asyl.
Auch für die Jasser,
wie dem, der danach Haus und Hof
nicht mehr sein eigen nennen konnte.
Notiz
Regen klatscht auf den Livree-Diener,
der die Limousinen-Ankömmlinge beschirmt.
Durch die Halle tröpfelt leise Klaviermusik.
Herzlich willkommen verehrte Gäste!
Vom Concierge ein untertäniges Nicken.
Auf dem roten Läufer stöckeln Pumps.
In der Minibar lauert der Champagner,
hofft auf den befreienden Knall.
Die Treppe runter strahlen Rosen.
Poliert wird noch am Silber,
gezupft an bockigen Tischtuchfalten.
Die Küchenmannschaft am Rotieren.
Herrschaften nippen nur vom Feinsten.
Wo bitte geht’s zum Diner?
Im Hinterhof ein Obdachloser,
durchwühlt den Abfallsack nach Frass.
Übrigens
Neger ist ein Schimpfwort.
Indianern sagt man Farbige
und Eskimos nennt man Inuit.
Aborigines heissen Ureinwohner
und Zigeuner Fahrende.
Ein köstliches Rindfleischgericht wird
aber nach wie vor Zigeunerspiess genannt.
Geändert wurde dagegen Mohr im Hemd,
heute bestellt man einen Schoko-Nuss-Kuchen.
Generationenwechsel
Warum so viel im Kopf behalten,
sagt der Enkel,
auf der App ist alles abrufbar.
Opa tippt mit dem Finger an die Stirn
und sagt, weil hier kein Depp ist.
Vermächtnis
Ging für einmal mit
Mutters Herzlichkeit spazieren,
plauderte da, winkte dort,
stiess überall auf Zuneigung,
weil sie so war.
Es gibt Tage
Wenn die Morgenzeitung nichts verrät,
der Frühstückskaffee schal ist,
der Honig zu süss,
das Mittagessen versalzen,
der Ausgang ein Reinfall,
die Nacht endlos und
nichts auf Bedeutsames hinweist,
ist es vorteilhafter, man verkriecht sich.
Anerkennung
Als meine Mutter als Kind gefragt wurde,
was sie einmal werden möchte,
sagte sie, eine Mutter.
Etwas Besseres konnte mir nicht geschehen.
Versteckspiel
Tagsüber belächle ich
die verdrängten Kindheitsträume,
die mich nachts heimsuchen
aus ihren Verstecken.
Jählings
Während eines Disputs
nahm mich jemand bei der Hand.
Warst du es Vater,
mit deiner Gerechtigkeit?
Geschlossene Offenheit
Immer bevor sie den Rollladen schliesst,
putzt sie das Fenster,
nicht, dass jemand glaubt,
sie wolle etwas verheimlichen.
Doppelspiel
Hineingeflucht hat er
in die geballte Faust,
dass die Knöchel erbleichten.
Als die verkrampfte Hand sich langsam
wieder löste, steckte er sie in den Hosensack,
nicht dass jemand denken könnte,
er habe sich für seine Wut bei sich entschuldigt.
Wankelmut
Als er aus dem Zug stieg
war er nicht mehr sicher,
ob die sieben Sachen ausreichen,
die er aus Gewichtsgründen
wieder ausgepackt hatte.
Abfuhr
Aus gesundheitlichen Gründen
trank er keinen Alkohol.
Irgendwann malte er ein Bild,
als wäre die Farbe besoffen,
um einmal deutlich gegen
die Abstinenz zu protestieren.
Animalisches
Fleissig wie die Biene,
stur wie der Esel,
dumm wie das Huhn,
falsch wie die Schlange,
frech wie der Dachs,
schlau wie der Fuchs,
dreckig wie die Sau,
treu wie der Hund,
frei wie der Vogel,
langsam wie die Schnecke,
stumm wie der Fisch,
scheu wie das Reh,
herrschend wie der Löwe,
stolz wie der Pfau.
Wenn sich der Mensch
zu seinem Gebaren äussert
ist kein Tier mehr sicher.
Lehrstück
Euch will ich eine Lektion erteilen,
sagte er und löffelte genussvollzornig
die Suppe aus, in die er zuvor spuckte.
Ironie
Wolldecken zum Spottpreis,
steht fettgedruckt in der Zeitung,
mit der sich der Obdachlose zudeckt.
Nicht ganz umsonst
Für sie hat er sich rausgeputzt.
Zuletzt noch angefeuchtet mit Parfüm.
Sie bevorzugt jedoch reife Herren,
ist im Service tätig, lässt ihn stehn.
Umso mehr ist er erstaunt,
als sie über seine Schulter ruft:
Was riecht denn plötzlich derart männlich?
Um die Röte im Gesicht zu kühlen,
bestellt er Hahnenwasser mit viel Eis.
Erledigt
Am Feldweg harrt die Staffelei.
Weiss gähnt die Leinwand vor sich hin.
Zu malen gibt es heute nichts.
Der Musiker von nebenan,
hat gestern alles wegkomponiert.
Südlicher Abend
Verhallendes Hufgetrappel weckt Geselligkeit.
In der Gasse mehrt sich zahnloses Geplauder.
Da und dort erklingt Musik.
Aus einem Fenster purzelt Don Pasquale.
Im Eingang üben Mandolinen.
Nach Sonnenuntergang erglühen Wein
und auf der Parkbank Turteltauben.
Der Kater schnurrt ein Wiegenlied,
zu dem der Mond die Sichel schärft.
Schichtwechsel
Die Arbeit ist vollbracht.
Unrast hält den Atem an.
Tagwerkmüde schläft das Dorf.
Allein der Fluss bleibt wach.
Ihm ist die Rast versagt.
Leise strömend trägt er fort,
was plagen kann und traurig macht.
Als Komplizin webt die Nacht
am nahtlos dunklen Band,
das Tat und Traum vereint.
Entwicklung
Als Jungspund suhlt man gern im Seichten.
Bläht sich auf im Übermut,
prahlt oft mit dummen Streichen.
Als Graukopf dann darauf bedacht,
dass nichts mehr aus den Fugen läuft.
Vorbei der Drang nach ungestümen Taten.
So ändert sich der Stil,
wenn die Vernunft anklopft,
am älter werdenden Gehäuse.
Ketzergebet
Vater unser im Himmel oder wo du dich versteckst.
Geheiligt werde dein Name, was absolut unnötig ist.
Dein Reich komme, und vermehre unseren Gewinn.
Dein Wille geschehe, nach unserem Diktat,
wie im Himmel so auf Erden und auf den künftigen Planeten.
Unser tägliches Brot gib uns heute, damit wir mehr vergeuden können
und vergib uns unsere Schuld, die wir in keiner Weise bereuen,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern, wenn auch nur zum Schein
und führe uns nicht in Versuchung, auf weiteren Reichtum zu verzichten,
sondern erlöse uns von dem Bösen, dass wir weiterhin zerstören können,
denn dein ist das Reich und die Kraft, von uns Erlesenen ausgeliehen
und die Herrlichkeit in Ewigkeit, für uns Gutmenschen.
Amen - Basta!
Am Fenster
Darüber gerätselt,
ob die schwarze Katze im Schnee
den Unterschied bemerkt.
Schonzeit
Stell dir vor, es wäre passiert,
im schlimmsten Fall am Nachmittag,
wenn alles zusieht und sich
darüber womöglich amüsiert.
Einstweilen bleibt es wie es ist,
doch sei auf der Hut,
denn was nicht gleich eintrifft,
kann jederzeit noch werden.
Mysterium
Bei Tag ist es noch
halbwegs zu erkennen,
doch schon im Dämmerschein
beginnt es zu verblassen.
Bricht dann erst die Nacht herein,
ist nichts mehr auszumachen
und das in einer Zeit,
in der jedes Geheimnis gelüftet wird.
Prävention
Mitten in der Stadt
bedeckt er jeden Spätherbst
die Sonnenstrahlen,
damit der Schnee nicht so schnell schmilzt,
wenn es dann einmal schneit.
Galerie
Habe mich erdreist,
meinen undeutbaren Text neben das
abstrakte Bild zu stellen,
damit das Kopfschütteln doppelt Sinn macht.
Vermerke
Lichtspielhaus
Jede Sequenz versucht
zu halten was der Titel verspricht.
Nervenkitzel pur am laufenden Band.
Raschelnde Popcorntüten stören nicht
den schlafenden Vordermann,
den weder das Grauen packt noch,
dass er in die Schusslinie gerät,
bevor das Licht angeht.
Draussen ein funkelndes Sternenmeer.
Der Eintritt frei.
Ermittlung
Wie misst man den Wert von Höhergestelltem?
Und wie macht man dessen Bedeutung verständlich?
Solche Fragen umtreiben einen,
wenn nicht nur das zählt,
was unmittelbar erkennbaren Nutzen bringt.
Sieht jemand den tieferen Sinn dahinter nicht,
fehlt dazu meist auch die begreifliche Erklärung.
Unausführbar
Er reichte ihr die Hand,
doch sie zog ihre zurück,
konnte sich nicht verbinden
mit all dem, was nicht ist.
Eigensinn
Nicht zurück und keinen Schritt weiter,
verkündet er der Runde,
schliesslich sei er alt genug,
weshalb sich da noch gross bewegen,
es reiche, wenn die Gletscher schmelzen
und die Wolken ziehen.
Keiner soll versuchen,
ihm den Stillstand auszureden.
Noch liege es in seiner Hand.
Spätlese
Zwei emeritierte Professoren
auf dem Balkon eines Pflegeheims
kichern im Gespräch über das,
was Studenten ausbrüten.
Massnahme
Schon beizeiten
ist der Lebensbaum vom Sturm
in die Schranken gewiesen worden,
damit die Krone, dem Übermut zuwider,
nicht in den Himmel wächst.
Unbestimmtheit
Weshalb so spät,
wollte sie von ihm noch wissen.
Weil alles was nicht möglich ist,
auch früher nicht gelingt, sagt er
und späht an einen Ort,
den sie nicht sieht.
Dann schweigen beide
ihren Weg entlang.
Als ich alt war
Macht Platz für den Alten,
rief einer aus der Schar
beim Schulhausplatz.
Nahm meine vierzig Jahre
just zur Seite,
um den Senior vorbeizulassen.
Doch hinter mir kam keiner.
Moderne Beziehung
Wortlos sitzen sie beieinander.
Nach einer Weile heitert sich
ihre Miene auf. Per SMS hat sie
ein Lebenszeichen von ihm erhalten.
Entfremdete Tuchfühlung
Zum Geburtstag machten ihr kein SMS und
kein Anruf klar, dass man in der Familie eigentlich
keinen verwandtschaftlichen Kontakt wünscht.
Betrachtung
Beim hinunterschauen aufgedeckt:
die schwindenden Gletscher,
die begradigten Flüsse,
die trockenen Felder,
die verpestete Luft,
die hetzenden Menschen und
hin und wieder ein verstohlener Blick
auf die befristete Zeit.
Kein Grund daher zur Beunruhigung.
Täuschung
Zweimal die Woche erhielt sie Post,
beobachtet von den neidischen Mitbewohnern,
die jahrelang leer ausgingen.
An ihrem Begräbnis kein einziger Absender.
Dieser ist mitgestorben.
Bergdorf
Heute Ruhetag, steht auf dem Plakat
vor dem Gasthaus am Dorfplatz.
Die Geranien auf dem Sims müssten Stadt Bern sein.
Ein Brunnen, daneben ein roter Briekasten.
Sonst keine Farben auszumachen.
Pünktlich wie immer das Postauto.
Ein Bub, zehn oder elf, steigt aus,
verschwindet schnell im Hauseingang.
Der Bus fährt ab, der Fahrer winkt,
dann ist es wieder still.
Damals
In der Unschärfe der Zeit,
als wir jung waren und Beweise sammelten für unsere Existenz,
Sterne runterholen und die Welt verändern wollten,
Galionsfiguren die Fantasien stützten,
es nichts zu behüten gab,
schien alles irgendwie perfekt.
Doch heute, beim Besuch aus ferner Perspektive,
nichts angetroffen, das auf Dauer wirksam war.
Deshalb erübrigen sich Korrekturen.
Erbaulicher Tag
Aufgeräumt die Glieder wecken.
Den Apfelblüten einen sonnigen Tag wünschen.
Freundlich den Griesgram grüssen.
Eine Handvoll Süsses naschen.
Dem Schmetterling sein flatterhaftes Leben gönnen.
Das Glück anhalten, wenn es vorbeikommt.
Nach einer Melodie das Tanzbein schwingen,
das manchmal aus dem Takt gerät.
Zum Schluss beschwingt den Abend geniessen.
Abwartend
Im Altersheim
sitzt sie allein am Fenster,
schaut mit wässrigen Augen,
wie teilnahmslos der Herbstwind
mit dem welken Laub umgeht.
Abwägung
Was ist schon das Leben,
sagt die alte Frau
neben dem toten Vogel.
Weiss die Knöchel
vom Klammern
ans letzte Wegstück.
Der Barkeeper
Die Ausstrahlung betört.
Seine Haltung ist perfekt.
Bei hitzigen Debatten behält er
kühlen Kopf, blickt kundig in die Runde,
hantiert mit Shaker und mixt Drinks,
versprüht ein hausgemachtes Lächeln.
Bestellungen werden nickend registriert.
Missverständnisse sind selten. Nach reichlich
Alkohol wird ihm manch Indiskretes anvertraut.
Verschwiegenheit ist Pflicht. Der Gast ist König,
heisst die Devise, auch wenn zu später Stunde
das Adelige manchmal aus den Fugen gerät.
Nachruf
Auch an seiner Grabrede wurde
die Tradition weitergeführt,
dass es schlechte Menschen
nur zu Lebzeiten gibt.
Estrichfund
Geburtsurkunde, Kinderzeichnungen,
Schulzeugnisse, Eheschein, Erbvertrag,
Reisepass, Goldmedaille, Silbermünzen,
Steuerbelege, Quittungsheft,
Liebesbriefe, Dienstbüchlein,
Fotos, Bussenzettel, Taschenuhr.
Neunzig Jahre Leben,
verschnürt in einem Schuhkarton.
Leichenschmaus
Um den es geht, ist nicht dabei.
Als Hauptperson ist er versorgt.
Die hier sind warten noch darauf.
Schinken mit Kartoffelsalat.
Schliesslich war er Bauer.
Zum Dessert Zuger Kirschtorte.
Obwohl er Abstinenter war.
Bevor man geht,
noch ein paar lustige Anekdoten.
Selten habe er gelacht,
hört man da und dort,
deshalb heisse er ja Ernst.
Handreichung
Wäre ich Wachs,
sehnte ich mich nach dem Docht.
Wäre ich Docht,
begehrte ich ein Streichholz.
Wäre ich Beides,
würde ich mich verzehren,
um anderen zu leuchten.
Homo modernus
Wesen
auf zwei Rädern,
auf drei Rädern,
auf vier Rädern,
auf Rollen,
auf Kufen,
auf Gummibooten,
auf Rolltreppen,
auf Förderbändern,
auf Polstergruppen,
auf Skiliften,
auf Sesselbahnen,
auf Luftkissen.
Auf zwei Beinen äusserst selten.
Nachtrag
Er sagt, er sei ihr nicht böse,
was sie ihm mitgeteilt habe.
Verletzend sei das Ungesagte
im urteilenden Blick.
Bekenntnis
Im aufgeklärten Heiligengewässer
schlenkert das Kirchenschiff.
Die Schafe orientierungslos,
gingen über Bord
mitsamt den Ratten.
Verwandtschaft
Jeder an seinem Platz.
Ungebeten aneinandergereiht
wie Zähne, um zuzubeissen,
wenn das Erbe angerichtet ist.
Blender
Auch wenn sie noch so täuschen,
die graugekleideten Krawattenträger,
bleiben Versuche, das Manko einzutreiben,
ein aussichtsloses Unterfangen.
Ausser, dass sie keine Ahnung haben,
kann man ihnen meistens nichts anlasten.
Liebe I
Fallenlassen,
im Vertrauen
aufgefangen
zu werden.
Liebe II
Liebe ist ein weiches Wort.
Wer zu hart damit umgeht,
beisst auf Granit,
kaut nächtelang
am unverdaulichen Brocken,
bis das Herz versteinert.
Verzicht
Vergiss die Namen derer,
die sich abhandengekommen sind.
Denk nicht mehr an das,
was vielleicht hätte verbinden können.
Eventualitäten sind trocken zu legen,
wenn man sich mehr oder weniger
über Wasser halten will.
Resultat
Das soll unser Gebirge sein?
Ein paar graue Spitzen, kein Schnee,
kein Bach, weder Föhren, Lärchen, Arven,
noch sonstiges Grün, nur braune Wiesen.
Ja, sagt der Maler: Das ist nun unsere Bergwelt,
weil wir nichts dagegen unternommen haben.
Vermutungen
Ob es Mitte oder Ende April passierte,
weiss man nicht mehr genau.
Sicher ist nur, dass die Kirschbäume
noch nicht blühten und es regnete.
Wie sollte man sich sonst an etwas erinnern,
das damals schon schwer zu entziffern war,
wären da nicht die wetterwendischen Marotten,
die auch bei Vermutungen für Gesprächsstoff sorgen.
Ansichten
So nicht,
beklagen sich die einen.
Schaut mal, wie weit ihr es gebracht habt.
Uns ist es noch nie so gut ergangen,
kontern die andern.
Das ist es ja!
Kontraste
Der Frust sich zu benehmen.
Die Lust sich gehen zu lassen.
Gegensätze an denen man zu kauen hat,
auch wenn der Hunger nach Provokation gestillt ist.
Erbaulicher Abend
Das Glück nach Feierabend:
Frei vom beherrschenden Tag,
gelehnt am sonnenwarmen Holz,
im Abendrot versinken.
Später beim Auftauchen
unter flimmernden Sternen,
die Hand spüren, die einen
damals in den Schlaf wiegte
und man geborgen war.
Ernüchterung
Dass er ihr den Himmel versprochen hat
war masslos übertrieben und hat sich auch
bestätigt beim Ausflug auf den Hügel mit Blick
aufs Dorf an einem Nebeltag.
Zwiegespräch
Was möchtest Du einmal werden,
fragte ich den Knaben?
General!
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
Und was möchten Sie werden, fragte der Junge?
Einer der Frieden stiftet.
Da lachte der Bursche unbekümmert,
wie es der Jugend zusteht,
die Krieg noch für ein Spiel hält.
Sporadisch
Kommt er nicht zu Wort,
legt er einem die Hand auf die Schulter,
dass man sich ihm unweigerlich zuwendet,
wenn auch nur für einen verständnislosen Augenblick.
Genialer Minimalist
Giacometti heisst noch bald einer und Alberto auch.
Aber dieser, an dessen Grab ich stehe, gibt’s nur einmal.
Nichts deutet darauf hin, was aus seinen Händen floss.
Unter dem Stein mit seinem Namen ein paar verwelkte Blumen.
Auf einer winzigen Tafel eingraviert Scultore Pittore.
Ihm wäre vielleicht das zu viel.
Ganz zu Schweigen sein Porträt auf der Hunderternote,
die deswegen keinen Rappen mehr wert ist.
Getreu nach seinem Sinn, reduziert aufs Minimum.
Hodler Ferdinand
Solange der Holzer im Museum
in der gemalten Stellung
die Axt im Gleichtakt schwingt,
wird sich der Winter hüten,
mit Kälte anzutanzen.
Umsonst
Es sollte ein Tag werden wie jeder,
andere denken vielleicht, weshalb
nicht einmal eine Abwechslung.
Damals, oder war es gestern, war es
jedenfalls so, dass sich etwas veränderte,
obwohl es jene, die Erneuerung wünschen,
nicht wahrnahmen.
Alleingang
Seit geraumer Zeit
auf der Suche
nach der Identität,
die abhandengekommen ist
im Überfluss.
Erforschung
Weshalb alles
erkunden, erklären, bestimmen,
festnageln, einzäunen, benennen,
was als Geschenk zum Schauen
und Freuen gedacht ist.
Einleuchtend
Logisch war die Antwort auf die Frage,
die unverständlicher nicht könnte sein.
So ist es denke ich, wenn einer
den anderen ausstechen will.
Summa sumarum
Zählt man Schlafen, Zögern, Überdruss
und Unerhebliches zusammen,
bleibt immer noch genügend Zeit,
es bis zum Ende auszuhalten.
Doppelmoral
Die ihm nahestanden sagen:
Ein fieser Mensch ist er gewesen.
Seiner Lebtag mieden wir ihn wie die Pest,
wollten nichts mit ihm gemeinsam haben.
Sein Erbe nahmen wir natürlich an,
schliesslich war er einer von uns.
Feststellung
Mit ihrem Geld,
Minderbemittelte zu unterstützen,
sind viele Millionäre gleich
arm an Unfähigkeit.
Wunsch
Könnte ich mein Leben
nochmals leben wünschte ich,
dass mir alles, was ich ändern würde,
am Anfang einfällt.
Anzeige
Der Tod des Komponisten
berührte keine Zeitung.
Die Menschen im Gewühl der Stadt,
wie immer wuselig unterwegs.
Nun um ein paar Lieder ärmer,
die sie noch nie hörten.
Während der Beerdigung
im engsten Kreis,
eine Sängerin beim Friseur,
ahnungslos,
für wen die Glocken läuten.
Belehrung
An einem feierlichen Anlass reichte
mir eine Frau die Hand,
der man ansah,
dass mit ihr gearbeitet wird.
Sogleich bemerkte ich:
achtsamer geht man mit Menschen um,
wenn einen die Hände belehren.
Illusion
Ich bin keine
die man kauft, sagt sie, ich komme
wenn’s mir passt, in einer Stunde
oder zwei, vielleicht auch nicht.
Mir ist es recht.
Bin weder Käuferin noch Abwartende,
schon gar nicht jetzt nach diesem Traum.
Alltag
Manchmal genügt ein Einfall und
der vermeintlich unnütze Tag ist gerettet.
Etwa, dass es einer Sau egal ist, wer sie füttert
oder Wolken mehr oder weniger planlos vergehen.
Hauptsache ein Zusammenhang wird erkannt.
Abhängigkeit
Als ihr jemand das Handy stahl,
war sie nur noch ein halber Mensch,
steht jedenfalls im Protokoll.
Gewohnheit
Wenn andere spotten über ihn,
setzt er sich für ihn ein.
Wenn’s niemand hört
lässt er kein gutes Haar an ihm.
Bei jedem Anruf sagt er, bin gleich da,
schaut auch von sich aus bei ihm rein,
sogar wenn dieser fehlt.
die Nachbarin denkt, selber schuld und
schliesst das Fenster wie auch sonst.
Gutgläubig
Die hundert Franken
erhältst du sicher einmal zurück,
darauf kannst du Gift nehmen.
Später einmal lache ich über meine Naivität
und stelle mir vor wie es ist,
Gift zu nehmen.
Gestörtes Ritual
Jeden Morgen, punktgenau um acht
oder neun, egal,
jedenfalls zur selben Stunde
beginnt für sie der Tag.
Dann steht sie auf,
verbringt geraume Zeit im Bad,
setzt sich danach an den Tisch,
geniesst den aufgesetzten Tee
und schreibt den Traum ins Tagebuch.
Einmal an einem Donnerstag
oder war es Freitag, egal,
klingelte just das Telefon,
sie schreckte auf,
der Traum war weg.
Wenn das ab jetzt die Regel ist,
verlasse ich den Ort,
sagt sie zu sich ganz mitleidlos.
Identität
Name: Leu
Adresse: Löwenstrasse, Löwen
Mitgliedschaft: Lions Club
Sternzeichen: Löwe
Lieblingstier: Gazelle
Solo
Selbstgespräch mit dem Schatten.
Der Einzige, der imstande ist zuzuhören,
ohne Fragen zu stellen, nach dem Weshalb,
weil es unter Umständen an Empathie mangelt,
Angst aufkommt, angepasst zu werden.
Wichtig ist auch, nicht einsilbig zu werden,
denn was sonst soll zu Vielschichtigem führen?
Entlastung
Eine Farbe definieren.
Auch so eine Rechtfertigung,
die unerforscht bleibt,
wenn man nicht einen Fachmann fragen will,
um unerkannt zu bleiben.
Es könnte der Verdacht aufkommen,
man habe es darauf abgesehen,
etwas zu beweisen,
das ohnehin persönlich ist
und keinen interessiert.
Zeitweilig
Mitunter ist es so wie damals.
Niemand interessiert sich oder
regt sich deswegen auf.
Soll doch alles verkommen,
ist ohnehin zu spät.
Keiner klagt den andern an.
Täter halten zusammen,
bis jeder für sich selber kämpfen muss,
schweissgebadet im trockenen Fluss.
Vergewisserung
Ich klopfe an meine Tür und bin nicht da.
Nie bin ich da, wenn ich zu mir komme.
Gleichwohl klopfte ich dann nochmals an die Tür,
um sicher zu sein,
dass ich mich nicht täusche.
Verkannte Eigenverantwortung
Zwei Haltestellen davor ausgestiegen,
weil kein Kontrolleur sagte,
das Billet hätte bis zur Endstation gereicht.
Aufgelauert
Den ganzen Nachmittag
der Mönchsgrasmücke aufgelauert.
Als ich sie nicht entdeckte,
öffnete ich den Rucksack und
nahm einen Schluck vom Klosterlikör,
um nicht ohne Beute heimzukehren.
Sonnenhunger
Trauben,
zuckerheischend in der Sonnenglut,
träumen von Kelter, Reife und
vom Abgang durch verwöhnte Kehlen.
Werte
Die Güte der Mutter.
Die Gerechtigkeit von Vater.
Die Nähe zur Schwester.
Die Verschiedenheit der Brüder.
Das Wort Heimat,
für das es sich zu leben lohnt.
Gleichförmigkeit
Nichts Besonderes heute Morgen.
Ein paar Mal das Wetter geprüft,
das Kalenderblatt gewendet,
den Schnittlauch gekürzt,
das Stromkabel verlängert,
die Briefträgerin erwartet,
keinen Brief erhofft,
der eine Antwort wünscht,
damit der Nachmittag nicht
durcheinander gerät.
Ungewohnt
Er sah etwas,
das er noch nie gesehen hat,
verdrängte es eilig aus dem Sinn,
weil es das, was er hier sah,
vorher noch nie gegeben hat.
Regelwidrig
Regelmässig Ende Jahr,
wenn es ums Wünschen geht,
der Wunsch,
es künftig wunschlos durchzustehen,
was bis jetzt aber noch nie zustande kam.
Uneinigkeit
Wenn ich mit mir verhandle,
bin es meistens ich,
der keinen Kompromiss eingeht.
Nur keine falsche Nähe,
begehre ich auf und komme,
wenn es gut ausgeht,
irgendwann weitab zu mir.
Beharrlichkeit
Bleibe immer auf Distanz.
Habe kein Interesse an Kontakt.
Bin allein geboren und werde alleine sterben.
Weshalb also dazwischen Nähe suchen?
Das muss man doch verstehen!
Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, sagt er,
aber nicht, weil er sich keinem anvertraut.
Abschiedsfoto
Der Mann im Boot gestikuliert und ruft.
Gleichgültig winkt am Ufer eine Frau.
Die andere Hand hält an ihr fest.
Die Beine im Begriff zu gehen.
Mehr gibt das Bild nicht preis.
Von Rückkehr keine Spur.
Übereinstimmung
Er sagt wir.
Sie sagt uns.
Er sagt farbig.
Sie sagt bunt.
Er sagt Liebe.
Sie sagt machen.
Folglich sagen beide ja.
Behauptung
Jäger und Sammler sollen wir sein?
Wer das sagt, kennt mich nicht.
Was wild ist, lasse ich sein.
Wenn ich etwas horte, dann höchstens
Die Erinnerung an glückliche Zeiten.
Also nicht der Rede wert,
auf irgendwelche Leidenschaften hinzuweisen.
Gedanken
Was bleibt,
wenn wir Erde sind oder Asche?
Was wäre, wenn wir ewig blieben?
Ist es sinnvoll,
Spuren zu hinterlassen,
welche an kein Ziel führen?
Kann es anders sein als es ist oder
sorgen wir uns vergebens?
Vielleicht sogar umsonst.
Zwei grosse Mächte
Die Liebe und das Sehen:
Zwei grosse Mächte,
die sich allem entgegenstemmen,
die in der Lage sind,
die Wiederholungen des Alltags aufzubrechen
und sei es auch nur in Form kleiner Variationen,
sagt ein Lyriker namens Bleutge
und irrt sich nicht.
Täuschung
Artiges Auftreten oder
hemmungsloses Getue?
Der erste Eindruck ist erheblich.
Doch manchmal trügt der Schein.
Raue Schale überdeckt
den weichen Kern und
Sittsamkeit die Lebenslust.
Das Doppelspiel zeigt häufig
mehr als es der Tarnung dient.
Verstellung daher Selbstbetrug!
Überheblichkeit
Eitel sein Gehabe.
Sturheit sein Idol.
Das Redliche verlacht.
Die Hintertür geschmiert.
Herrschsüchtig in Perfektion.
Raffgierig bis zum geht nicht mehr.
Doch nie darüber nachgedacht,
dass auch er hineinpasst ins Gefäss,
das man Aschen-Urne nennt.
König Drosselbart
Spott ist ein böser Helfer
und Hochmut sein Kumpan.
Respekt ein Fremdwort und
Eigennutz ihr Ziel. Doch wehe
der Verlachte rächt sich ebenso,
dann werden Lästermäuler spüren,
wie schmerzlich eine Kränkung ist.
Rückschau
Beim Gipser Sand gesiebt.
Beim Bäcker Brot geliefert.
Beim Käser Milch gewogen.
Beim Schreiner Holz verleimt.
Beim Bauer Kartoffeln gegraben.
Vom Lohn ein Lichtbild-Apparat gekauft
(selbstverständlich ohne Garantie),
der beim ersten Lauf den Geist aufgab.
Den Verlust von 22 Franken 50 schmerzlich
eingesteckt und nicht mehr wettgemacht.
Götzendämmerung
Vom abgestumpften Mob gekrönt.
Von Phantasten angehimmelt.
Von Unersättlichen imitiert.
Sobald jedoch der Glanz verblasst,
schwindet die Begeisterung,
verstummt der Beifallssturm.
Dann werden die Idole verhöhnt
und als verlogene Verführer
schadenfroh zu Grabe getragen.
Ausklang
Mit dem Tod der Mutter
starb auch mein Übermut.
Plötzlich stand das Wort
Vergänglichkeit im Vordergrund.
Wichtiges verlor den Sinn,
Bestendes die Festigkeit.
Die lauten Schritte wurden leise,
die Stimme ungemein gedämpfter
und stetig kommt die Frage auf:
Was taugt das Rad, wenn ihm die Nabe fehlt?
Nachtwache
Die in den weissen Kitteln
sind gegangen.
Sie haben ihre Pflicht getan.
Im Flur ein unterdrücktes Hüsteln.
Dann ist es still
im vollbesetzten Haus.
Und jetzt, da ich Zeit hätte
Versäumtes nachzuholen,
bin ich stumm, habe nicht den Mut
das zermürbende Stillschweigen zu brechen.
Trotzdem Güte und Verständnis
auf deinem Gesicht, wie seit jeher.
Ich halte deine Hand.
Reglos führst du mich an den Rand
der grossen einen Nacht.
Draussen wird es langsam Tag.
Taumelnd fliehe ich zurück
in meine Ohnmacht.
Alles zu seiner Zeit
Plane das Schwierige, solange es leicht ist,
beginne das Grosse, solange es klein ist,
bearbeite das Harte, solange es weich ist,
beende das Angefangene, solange es frisch ist,
belasse das Ganze, wenn dir nicht danach ist.
Befund
Eine Familie ohne Mutter
ist ein Rad ohne Mittelpunkt.
Zerrissenheit
Was mag es sein, das Menschen bewegt,
zu streben nach Reichtum und Macht,
mit Füssen zu treten Einklang und Pracht,
zuschauen, wenn andere leiden,
was Rückgrat benötigt tunlichst meiden?
Warum bereitet es Spass zu streiten,
weshalb gibt es Kriege zu allen Zeiten?
Wie kommt es, dass man Lügen Wahrheit nennt,
was ist es, das dauernd fordert statt hemmt?
Wieso fällt es uns schwer, Gefühle zu zeigen?
Warum ist uns Menschen das Boshafte eigen?
Ich weiss nicht warum!
Vielleicht sind wir einfach zu dumm.
Zeitlebens
Jahrzehntelang hat er alles verlacht,
ist jeglicher Kritik entwischt.
hat angeeckt wo es ging.
Jetzt taumelt er herum,
im Niemandsland,
gesichert am Rollator.
Leichtfuss
Von der eigenen Partei nicht nominiert,
biederte er sich jenen an,
die je nach Wind das Volk umgarnen,
bis auch sein Bild prangte,
an einem Pfahl am Strassenrand.
Vorbeugung
Vorgesorgt hat er beizeiten.
Den Lebenslauf verfasst,
den Grabstein ausgesucht,
das Leichenmahl bestellt,
die Hinterlassenen enterbt.
Jetzt wartet er im Pflegeheim auf
den Vollzug, den er nicht mehr erlebt.
Rückeroberung
Was da so alles ins Blickfeld rückt.
Kaum schliesst man die Augen,
öffnen sich Räume,
die nach der Sturm- und Drangzeit
verschlossen waren.
Beim Zurückblättern fragt man sich,
welchen Sinn es damals hatte,
dass es jetzt vorgibt bedeutungsvoll zu sein.
Womöglich stellt sich heraus, es war nicht absehbar.
Life Sendung
Letztendlich gab er sich geschlagen,
gratulierte dem Sieger überschwänglich,
lachte für Daheimgebliebene in die Linse und
schlug für sich die Faust gedanklich auf den Tisch.
Optimist
Es reicht,
wenn sie mir alle fünf Jahre aufspielen,
sagte der 100-jährige Jubilar,
als ihm die Dorfmusik versicherte,
ihm nun jährlich ein Ständchen zu bringen.
Vormals
Längst hätte sie es wissen müssen,
kam jedoch nie auf die Idee, wie jene
auf dem Friedhof, die einst glaubten,
unentbehrlich zu sein.
Nachfrage
Wo wohnt deine Oma?
Keine Ahnung,
habe von ihr noch nie
eine SMS erhalten.
Traumspiel
Plötzlich hatte ich Geld im Überfluss.
Gewonnen beim Spiel.
Wusste nichts anzufangen damit.
War weder glücklich noch zufrieden.
Beim Erwachen dann wieder beides.
Nachahmung
Am Sandstrand eine Frau,
verschalt mit Taucherbrille, Schnorchel, Flossen,
daneben eine zweite,
versucht sich ebenfalls als Fisch.
Später an der Bar
spülen sie mit Cocktails
das Salz von den Lippen.
ihr lautstarkes Verhalten,
alles andere als jenes unter Wasser.
Wahrheitsgetreu
Beim achten Mal,
den Fluss entlang,
nahm ich es wahr.
Ich könnte auch behaupten,
dass ich es schon längst bemerkte.
Das wäre aber unfair jenen gegenüber,
die es immer schon hörten.
Einziger Gast
Die Anmeldung verwaist.
Alle Schlüssel am Brett.
Stille, ausser dem Ticken der Standuhr.
Der Gang dunkel, ab und zu ein Strahl
von der Lichtreklame nebenan.
An der Wand ein paar Bilder von einst.
Auf einem zwei Männer die sich davonmachen.
Später im düsteren Zimmer, beim Anblick
der leeren Obstschale, das Gefühl,
als sei ich ihnen gefolgt.
Dorf
Was sucht der Fremde hier?
Arbeit, Freiheit, Heimat?
Späht in Gassen auf und ab,
bleibt stehn und seht,
er klopft sogar an Türen an,
gibt sich die Hand und grüsst den Hund.
Fremder Mann in unserem Dorf,
der lugt und sucht, nun sage uns
wer bist du wer?
Flüchtiger Besitz
Der Duft von frisch gemähtem Gras.
Am Waldrand das äsende Reh.
Unter tintenblauem Himmel dahinziehende Wolken.
Zu keiner Frage die perfekte Antwort.
Vom Schatten deiner Hand auf meinem Knie,
die Weite und Stille eines flüchtigen Abends
und als Krönung der Wunsch,
wunschlos sein erfüllt zu wissen.
Museumsbesuch
Um nicht aus dem Rahmen zu fallen,
hängen die Ahnen an den Wänden.
Daneben rosten Ritterrüstungen,
der nächsten Schlacht entgegen.
Der Prunksaal sehr darauf bedacht,
der Schlichtheit zu gedenken.
Im Frauengemach das Himmelbett,
hofft auf Gnade, die Wiege auf Inhalt.
Beim Ausgang die Fanfaren,
blasen zum Abmarsch.
Danach etwas weiser,
ohne dass sich etwas ändert.
Auktionsrekord
Alberto Giacomettis schlaksig „Zeigender Mann“
weist für 141 Millionen Dollar dorthin wo‘s langgeht.
Ein Bieter, für sein Gewicht etwas zu klein, sagt,
nicht einmal für einen Franken
würde ich die Hand erheben.
Open Air
Der Sänger schmachtet
seine Balladen in die Tropennacht.
Beim Tanzen und Lärmen schwitzen Fans,
bei Tagesanbruch dann der Putzdienst,
der den Abfall inklusive abhandengekommenes
Taktgefühl und Umweltbewusstsein wegräumt.
Bushaltestelle
Der Platzregen und ich
zurzeit die einzigen Fahrgäste.
Der Abfallkübel hat schon
Volleres erlebt.
An der Rückwand hoffen zwei
vergilbte Plakate auf Ablösung.
Die verklebte Bank versucht nicht
darauf Platz zu nehmen.
Beim Sonnenblinzeln der Wunsch,
in einem Liegestuhl am Meer
nichts müssen, nichts erwarten.
Zunehmend
Das waren noch Zeiten,
als die Ruhebank etwas für
Alte und Geschwächte war,
es zügig vorwärts ging und
man nicht daran dachte,
einmal darauf Platz zu nehmen.
Doch schneller als man denkt,
gehört man dieser Runde an,
wird sich eine Weile niedersetzen,
zum Himmel blicken und den Garten
pflegen in dem Erinnerungen spriessen
hoffnungsvoll.
Zu spät
Unter dem Beifall der Verehrer
liess sie sich treiben im Überfluss.
Vor den Stromschnellen dann die Einsicht,
doch viel zu weit weg, vom rettenden Ufer.
Sühnopfer
Beten wollte er gegen Hass
und Krieg und Grauen und all das Unrecht,
das auf dieser Welt geschieht.
Niederknien wollte er unter einer Linde
im unbefleckten Gras, fand jedoch überall
nur Trauerweiden und Blutbuchen unter
errötendem Himmel.
Fazit
Nach dem Ausschalten des Computers
mit dem zarten Finger
ist keine Leistung mehr zu erkennen.
Wenn das Feuer in der Schmiede erlischt,
zeugen Gitter, Ranken, Ornamente und
raue Hände vom sinnerfüllten Alltag.
Wehmut
An der Hausmauer welke Rosen.
Mit Falkenflügeln floh der Herbst.
Am Fenster ein alter Mann,
denkt wehmütig, jetzt schon?
Konsequent
Von wegen gute alte Zeit,
habt ihr eine Ahnung, polterte er,
was da alles aus dem Ruder lief,
keinen einzigen Tag davon
begehre ich zurück.
Beim Abschied durchs Fenster
noch bemerkt, wie er
die Kuckucksuhr vorstellte.
Finale
Aus mit der Fahrt ins Blaue.
Die einstigen Pläne ausgeträumt.
Das Jetzige ausgebremst.
Der Eifer weg.
Duldsamkeit ist angesagt.
Zwei Bewohner in vier Wänden,
ein Flimmerkasten, drei Essen pro Tag.
Schweigsames Schleichen.
Warten bis der Zeiger rückt.
Ein abgeklärtes Harren.
Gedanken fahren Achterbahn.
Erinnerungen haben Vortritt.
Zwei Ärzte um die Ecke.
Das Vorbestimmte vollenden.
Aufführung
Im Theater spielen sie Kleider machen Leute.
Auf dem Balkon zupft eine Dame
die Bluse zurecht, ihr Nachbar flüstert,
Keller ist einfach köstlich.
Tags darauf vor dem Spiegel die Abwägung,
ob Grün oder Blau der Jahreszeit zukomme.
Rückeroberung
Was da alles ins Blickfeld rückt.
Kaum schliesst man die Augen,
öffnen sich Räume,
die nach der Sturm- und Drangzeit
verschlossen waren.
Beim Erinnern fragt man sich,
welchen Sinn es damals hatte,
dass es jetzt vorgibt bedeutungsvoll zu sein.
Womöglich stellt sich heraus, es war nicht absehbar.
Vorahnung
Das soll unsere Bergwelt sein?
Ein paar graue Spitzen, kein Schnee,
ausgetrocknete Bäche, weder Föhren, Lärchen, Arven
noch sonstiges Grün, nur trockenbraune Wiesen.
Ja, sagt der Maler: Das ist nun unsere Bergwelt,
weil wir nichts dagegen unternommen haben.
Nachtmahr
Es kommt vor, dass nachts
das Versäumte willkürlich einschlägt,
aufwühlt was totgeschwiegen,
reckende Hände bereit sind zuzugreifen,
Luftschlösser zu Staub zerfallen,
der ersehnte Morgen sich verschläft und
man hofft, dass er möglichst schnell erwacht.
Urkraft
Mensch
Sekunden vor Zwölf,
eine Laune der Evolution.
Nach dem Stundenschlag
ist die Erde wieder rein.
Tagesanbruch
Eines Morgens,
Schnee lag noch vor meinem Fenster,
das Lied der Amsel,
als wüsste sie,
nach was mein Herz sich sehnte,
monatelang.
Frühlingserwachen
Was für ein Jubel,
dieses Herausplatzen
aus dem gefrorenen Lächeln.
Frühling
Maienzeit blüht in mein Herz.
Barfuss über taufunkelnde Wiese laufen,
um willkommen zu heissen,
was der Winter verschonte.
Frühlingsmorgen
Aufbruchgrüner Hauch umflaumt
anschwellendes Vogelkonzert.
Sonnenblinzeln weckt Taugefunkel.
Das Wegkreuz weist ins Blau.
Die Bank lädt ein zur Rast,
die Zukunft zu bedenken,
zum Beispiel Bäume pflanzen
oder Frieden stiften.
Val Calanca
Name meiner Suche
nach dem Vergessenen.
Klang, der Erinnerungen wachruft.
Die Landschaft intakt, die Bewohner urig.
Steil und hoch die Flanken aus Granit.
Schroff zerklüftet die Einschnitte.
Fast senkrecht die Schatten –
nicht minder die Sonnenseite.
Eingekerbt der klare Fluss,
spült die Abgeschiedenheit zu Tal.
April I
Wetterwendische Marotten.
Der Jahreskreis in einen Zwölftel gezwängt.
Die Meldungen wiederholen sich.
Kein Eintrag, dass Nestlinge erfrieren.
Am Fenster der mürrische Greis,
verwünscht den unnützen Tag.
Mehr ist nicht zu erwarten.
Macht ohnehin was er will.
April II
Launischer Gesell,
hält sich an keine Norm,
narrt Meteorologen,
lässt mädchenflinke Bächlein sprudeln,
dämpft munteres Gurgeln unter Schnee,
verbündet sich mit Blütenduft,
Graupelschauer, Sonnenschein und Sturm,
verscheucht Flaneure aus dem Park,
hockt schelmisch auf dem Kutschbock,
strafft und lockert die Zügel,
mit dem er Jahreszeiten lenkt.
Nach dem Sturm
Nach dem Sturm ein Bild des Grauens.
Abgeschlagene Äste, umgeworfene Bäume,
geknickte Ähren, überflutete Häuser,
verwüstete Gärten. Nur die Kiesel am Fluss
sind unberührt und glänzen wie zuvor.
Nicht immer ist es gut, wenn die Härte überlebt.
Wonnemond
Ein paar Schritte abseits des Feldweges
auf der Anhöhe neben dem alten Bauernhaus
legt der Frühling Löwenzahnteppiche aus
für ältere Wandervögel im Wonnemond verdeckt
hinter Kirschbaumblüten Finkengezwitscher
Bienensummen Insektenkrabbeln im Blau
der kreisende Milan erste Schwalben und Düfte
dass einem fast schwindlig wird hätte man nicht
festen Boden unter den Füssen und in der Hand
den Stock fürs Gleichgewicht
Gefällte Lärche
Jahr an Jahr
frei emporstrebend
umringte Standfestigkeit.
Mit wechselhafter Krone
Königreiche überdauert.
Nun ist der Baum entthront.
Von einem Bauer wohlgemerkt,
in knappen zehn Minuten.
Ohne Würde liegt er da.
Der Unterschied frappant.
Vorhersagen
Was die Spatzen
von den Dächern pfeifen,
gurren die Tauben im Schlag.
Die Weisheit verkünden die Eulen.
Wetterprognosen zeigen die Schwalben im Flug.
Ansonsten keine Lust auf Hypothesen.
Versteinertes Meer
Tosende Gischt zu Falten gepresst.
Brandendes Getöse als Fels verstummt.
Atlantische Gewalt gebändigt
in himmelhoch steinernen Wogen.
Höherschlagende Bergsteigerherzen.
Umweltzerstörung
In Saus und Braus
ist man darüber entsetzt.
Dem Rest ist es egal.
Baumsymbolik
Standhaft die Wurzeln,
dynamisch der Stamm,
verbindend die Rinde,
freiheitlich die Krone,
demütig die Äste,
freudig die Blüten,
gefällig die Früchte,
loslassend die Blätter.
Überbleibsel
Nach dem Sturm fächelt das einzig
übrig gebliebene Blatt am Baum,
genarbter, um weiter zu Sein,
nach der widrigen Affäre.
Sommer
Golden wogendes Brot
und duftendes Gras.
Am Bach stauen Kinder den Fluss.
Auf dem Acker der Bauer,
in den Augen brennender Schweiss.
Sommermorgen
Erneuert denkt die Seele bunt.
Zwinkernd grüsst der Tau den Tag.
Im Frauenmantel Perlmuttglanz,
lockt mancherlei Gesumme.
Nichts Schweres türmt sich auf,
ins federleichte Blau spriesst Brot,
auf das der Bauer schaut
und halblaut sagt, hab Dank.
Sommerlust
Wenn die Sonne mitspielt,
ertrinken die Farben.
Auf dem Wasser ihr blinzelnder Tanz,
im Rhythmus des Windharfenklangs.
Eine dichterische Darstellung
verwoben ins Muster der Landschaft,
die im Herzen weiter strahlt,
auch wenn sich Schatten
auf das Ufer legt.
Erntedank
In Weidenkörben glänzen Äpfel,
zopfgeflochtenes Gebäck und Pflanzenkost.
In Arbeitshänden welken Kräutersträusse
und über dem Altar dampft Räucherwerk.
Neben dem plärrenden Rummelplatz steigt
sündhaft verführerischer Bratwurstduft
in weltliche Festnasen.
Dank sei Gott!
Divergenz
Durch den Stacheldrahtverhau
blüht zielstrebig eine Rose.
Ihre Dornen dagegen harmlos.
Sommernacht
Im Schein der Nachtkerzen
zieht der Abendstern auf.
Der Wald ruht bis die Tiere
der Finsternis erwachen.
Später wird sich der Mond
hinter den Wolken verstecken
und die Eule verschweigen,
was uns am Morgen erwartet.
Deine kühle Hand die Rettung
vor dem Ungewissen.
Spätherbst im Rebberg
Fern sind die prallen Tage.
Im Geäst die letzten Blätter,
zittern vor dem endgültigen Fall.
Nebelgeschwängert harren Auen.
Im Rebberg augenfällige Fruchtbarkeit.
Fast zu viel vor dem Finale.
Winter
Jahreszeit
von wärmender Bedeutung.
Sich verpuppen im Tiefschnee,
keine Spuren hinterlassen.
Der Reinheit wegen.
Spätherbst
Ziellos lungert Licht durch schütteres Geäst.
Von Ferne vergebliches Hundegebell und
erfolgloses Hämmern des Spechts in Totholz.
Im gehäckselten Maisfeld feiern
aufgebrachte Raben das Erntedankfest.
Schemenhaft aus dem Nebel ein Jogger,
flitzt anteilnamlos vorbei.
Hinterher braut sich die Nacht
ein undurchdringliches Gewölk.
November
Sturmwind rüttelt im Gebälk,
zerrt an den Gliedern.
Nebelschwaden schleichen durch Gemütsetagen
und Schwermut lauert vor der Tür.
Fahles Laub schwirrt durch die Luft,
als flatterten verschreckte Vögel auf.
Aus trübem Himmel trommelt Graupelschauer,
auch auf jene, die längst ruhn.
Der Allerseelenmond schliesst niemand aus.
Froher Advent
Totenbleicher Flockentanz.
Hinterm Fenster lebendig helles Lachen.
Fast zu bunt für den Advent.
Mahnung
Den Winter nehmen wie er ist,
weder Farbe, Blüte, Frucht.
Nur Stille, Schnee und Weiss,
bis ihn der Frühling mahnt,
nun ist‘s genug, gib her das Zepter,
lege es in meinen Schoss und
taue auf, dass sich dein Herz
auch mal erwärmt.
Umweltzerstörung
In Saus und Braus ist man
darüber entsetzt.
Dem Rest ist es egal.
Bilanz
Seit 40 Jahren verbrennen wir
weltweit täglich 15 Milliarden Liter Erdöl,
20'000 Tonnen Kohle und
9 Milliarden Kubikmeter Erdgas.
Neulich fragte mich einer, was ich davon halte.
Weil mir nichts Gescheiteres einfiel sagte ich:
Die Analyse des Weltuntergangs wird
ein schwieriges Unterfangen.
Jahreslauf
Der Sommer hat sich zeitig
aus dem Staub gemacht und denkt,
der Herbst soll es nun richten, doch dieser
bläst ins Donnerhorn und schiebt es rasch
dem Winter zu, der jedoch weigert sich und sagt,
das alles soll der Frühling dann ausbaden.
Bienensterben
Das Blütenkleid war hoffnungsvoll.
Viel zu viel für die wenigen Bestäuber.
Kein Gesumme wie gewohnt.
Im Herbst dann die Ernüchterung.
Vorbei die Freude an der Rosa Pracht.
Heuer braucht es keine Leiter.
Die Erinnerung an frühere Ernten muss genügen.
Zwischenfall
Zuerst fielen lediglich ein paar Tropfen,
nichts deutete darauf hin,
dann öffnete der Himmel seine Schleusen.
Was nicht bachab ging war so angefüllt,
dass es viele Sonnen bräuchte,
es jemals wieder zu trocknen.
Später wird man in der Chronik lesen,
so etwas sei ganz natürlich und
komme alle hundert Jahre vor.
Also nicht der Rede wert,
denkt unsereiner hinterher.
Naturhörspiel
Zeitig im Frühling,
besonders spät abends,
hauptsächlich bei Vollmond,
wenn kein Wind weht,
kann man es hören,
das geräuschlose Schliessen
der Blüten zur Nacht.
Evolution
Ich behaupte nicht,
dass wir uns ändern müssen,
um die Natur zu retten.
Die Natur schafft das allein.
Wart’s ab,
in ein paar hundert Jahren
spricht kein Mensch mehr davon.
Aufruf
Lass ihn ziehn,
den brütenden Sommer,
ermutigt mich der Herbst.
Vergiss die Hitze, das Geflimmer,
den süsslichschweren Duft,
den Schatten unterm Baum.
Ich habe seine Glut gelöscht.
Geniesse meine frische Luft,
erfreue dich am blanken Tag,
spüre wie das Blut nun fliesst,
in herbstlichkühlen Bahnen.
Skulptur im Park
Barbusig sitzt sie da,
mit leicht geneigtem Kopf.
Zu lange schon am gleichen Ort,
um unentdeckt zu sein.
Besonders nicht vom Kater,
der ihr nachts vergeblich
um die Füsse streicht.
An einem Sonnentag ein Buchfink
auf dem ausgestreckten Arm,
der ziellos in die Ferne weist,
für nasse Tage Grünspan angesetzt.
Berichte
Keinesfalls
Was geschrieben ist,
kann mit lesen nicht
ausgelöscht werden.
Geschwätz
Am Bett der Patientin prahlte sie
derart überheblich von ihrer Fitness,
dass den Besuchern die Kräfte schwanden.
Zeitweilig
Manchmal lässt man uns so, wie wir sind.
Manchmal macht man aus uns, wie wir sein sollen.
Manchmal machen wir aus uns, was wir sein möchten.
Manchmal machen wir aus uns gar nichts.
Einmal werden wir sein, was wir nicht mehr sind.
Ruhezone
Solange Schweigen,
bis es dem Rest
die Sprache verschlägt,
damit endlich die Stille
zu Wort kommen kann.
Verlangen
Unlängst überkam mich die Lust,
kein Gedicht zu schreiben, nur schauen
und gedankenfrei unterwegs sein,
den Abend ruhend aushalten,
ohne Berichtigungen zu Bett zu gehen,
in der Hoffnung, die Laune möge
sich über Nacht ändern.
Bedürfnis
Wenn ein paar Sätze von meinen
Abfassungen hängen bleiben,
habe ich wenigstens Seelennahrung,
sollte ich einmal am poetischen Hungertuch nagen.
Machtlos
Beim Betrachten der Bergwelt flog es mich an,
ein Gedicht darüber zu verfassen.
Papier und Bleistift waren parat.
Das Panorama jedoch derart überwältigend,
dass ich keine Worte dafür fand.
Fehlt dem Handwerker das Geschick,
nützt ihm das beste Werkzeug nichts.
Ideenschmiede
Ich bin ein Bewegungsmensch.
Die besten Ideen entspringen
mir beim Gehen.
Schreibzeug habe ich nie dabei.
Da muss der Kopf herhalten.
Um zu notieren was manchmal
wie ein Blitz einschlägt,
müsste ich stehenbleiben.
Überdies
Was ist schon dabei,
wenn meine Gedichtzeilen untergehen
in der Flut poetischer Publikationen.
Als Metallbauer habe ich Dinge geschaffen,
die auch standhalten,
wenn der Meeresspiegel steigt.
Verkanntes Handwerk
Seltsam, sagte er, ein Arbeiter
der Gedichte schreibt.
Dachte, Handwerker befassen sich
nur mit konkreten Dingen.
Als ob Verse schmieden kein Handwerk ist!
Gegensätzliches
Soeben einen Brief erhalten.
Die Handschrift wie ein Guss.
Inhaltlich jedoch sehr banal.
Hätte nicht gedacht, dass mir jemand
Gegenteiliges so offensichtlich anvertraut.
Lückenfüller
Bleiben meine Verse ungelesen,
hat niemand eine Bildungslücke.
Werde trotzdem weiter schreiben,
füllt es doch mein Vakuum auf.
Behelf
Verlässt uns die Sprache,
bleibt uns das Schreiben,
kommt uns das Schreiben abhanden,
bleibt uns die Erinnerung an das,
was sonst vergessen geht.
Verwahrungen
Wohin mit all den Notizen, Einfällen, Zeichen,
Sprachbildern, Wortschätzen, dem Wortgeplänkel,
Ungeschriebenen, Ungesagten, Vergessenen,
wenn nicht zu geneigten Lesern,
dann in die verschwiegene Schublade.
Soll später keiner kommen und sagen,
weshalb hast du nicht.
Wirkungskreis
Im Kern bin ich noch immer Praktiker,
lege keinen Wert auf Stand.
Schon gar nicht auf den Adel.
In meinen Adern fliesst Handwerkerblut.
Zum Ausgleich schreibe ich Gedichte.
Wird Lyrik auch gering geschätzt,
ich bleibe diesem Metier treu.
Erwarten darf man ohnehin nie viel.
Beleg
Wenn ich schreibe,
bin ich ganz bei mir,
vertraue meinem Gespür,
setze ein was möglich ist.
Wenn ich schreibe,
bin ich überall und alles,
notiere was ich denke.
Vielleicht die passende Lektüre
für alle, die nicht gern lesen.
Meinung
Bleiben die Worte nicht in dir,
sind sie nicht würdig.
Repräsentativ sind sie nur,
wenn sie dem Denker nicht entfliehen.
Abfuhr
Wurde von den Hundstagen angehalten,
ein Gedicht in der Farbe des Schnees zu verfassen.
War aber nicht bereit, der heisswütigen Meute Kühlung zu verschaffen,
denn kaum geschrieben, schreien sie wieder nach Wärme.
(Meine) Dichterinnen
Sie heissen Rose, Hilde, Ilma, Mascha,
Erika, Wislawa und eine Handvoll mehr.
Heimlich bin ich mit ihnen frech per du.
Wenn ich mich mit ihnen beschäftige,
ruht mein Bleistift eine Weile.
Enorm was sie vorlegen.
Schwer mit den Damen Schritt zu halten.
Werde mir Mut antrinken und es
mit erlesenen Worten wagen,
meine Sichtweise neben ihre zu stellen.
Wenigstens solange die Courage anhält
und meiner Laune danach ist.
Fingerzeig
Als ein Freund meinen neusten
Text gelesen hatte, sagte er:
Wieso schreibst du nicht
so wie du sprichst?
Das war’s.
Maulfaul zog ich
die Schultern hoch.
Später einmal der Versuch,
mit mir darüber zu reden.
Unsicher ob ich Antwort bekomme.
Versuch
Rainer Brambach schrieb:
„Ein Gedicht schreiben
ohne Ballast
zum Beispiel Spätherbst
…“
Beim Versuch es gleichzutun,
wurde ich derart niedergedrückt,
dass ich meine Verse wieder in
die Waagschale lege,
die meiner Eichung entspricht.
Verse Schmiede
Beim Verseschmieden
gibt es kein Erbarmen.
Da kommen Niederschriften
unter den Hammer und werden gestaucht,
bis nur noch Wesentliches übrigbleibt.
Für den Prosaist ein triftiger Grund,
sich tunlichst vom Lyrischen fernzuhalten.
Fremdes Gedicht
Gingst lange auf Distanz.
Schertest dich wenig um den Bewerber.
Erst beim fünften Anlauf kamen wir uns näher.
Hast zugewartet, um sicher zu sein, ob ich deiner würdig bin.
Nun sind wir eins. So muss es sein, was anklingen soll.
Vergleich
Wenn er sich mit Weltliteratur befasse merke er,
wie dürftig dagegen seine Texte seien,
sagt er und ich Zuhörer,
kann das sehr gut nachvollziehen.
Aufforderung
Nimm mich beim Wort.
sagt das Gedicht,
zerpflücke mich,
dass ich werde.
Schilderung
Schreiben sollte man können
wie ein Baum wächst,
astrein und biegsam,
im Urvertrauen,
dass es standhält.
Forderung
Die Leute sagen:
Biografien sind interessant.
Verfasse uns dein Lebensbild.
Wozu auch, denke ich.
In Gedichten gibt man genug Persönliches preis.
Besonders zwischen den Zeilen.
Wenn das nicht reicht!
Alles ist sagbar
Wenn dich etwas bedrängt,
schreibe dir das Aufgestaute von der Seele.
Berichte von deinem Glück, deiner Trauer,
von Freuden und Leid.
Vertraue dich der Sprache an.
Bekenntnisse befreien.
Schreibe!
Zwangsläufig
Als seine Gedanken nicht mehr der Ort waren,
wo Wunsch und Wirklichkeit verschmelzen,
schuf er Distanz zu seinen Belegen,
wenngleich es eine gute Möglichkeit ist,
dem Leben Bedeutung zu verleihen.
Saumseliger Poet
Gleichwohl bricht die Nacht herein,
wenn er ein Gedicht geschrieben hat
oder wenn er sich dem Wein hingibt,
weil er kein Gedicht geschrieben hat.
Leseschwäche
Gehetzt vorbei am Tageslauf,
um der Frage ausweichen,
wo man all die Zeit hernimmt,
nicht zu lesen.
Hemmung
Unbeschrieben harrt das Blatt.
Der Bleistift lauert spitz.
Doch der Wille lahmt.
Einfälle bleiben aus.
Schreibstau nennt sich die vertrödelte Zeit.
Wer durchhält bis der Damm bricht,
wird Alternativen erhalten.
Doppelmoral
Gedichte schreiben ist nicht zwingend,
schon gar nicht für die Katz.
Wer Verse schreibt wird nicht verkommen,
was Berufene belegen.
Wer daran zweifelt, lässt es sein.
Geschichte schreiben ohnehin die Leser.
Lebensstil
Schreiben ist Leben,
die Zeit dazwischen erdulden.
Wer nicht ertragen kann,
verliert die Fassung.
Anspruch
Dichten will sie
wie ein Orchester spielt.
Klang und Stift sind vorhanden.
Was ihr fehlt sind melodiöse Gedanken.
Unterlassene Denkschrift
Trotz vielen Missetaten,
kommt er in allen Niederschriften
ungeschoren davon.
Um seinen Lebenswandel zu beschreiben,
bräuchte es rebellische Adjektive.
Ansichtssache
Es sollte mehr Dichter geben,
sagte die Leserin.
Umgekehrt wäre dienlicher,
entgegnete einer,
von denen es mehr geben sollte.
Literarisches
Zusammengefügtes Alphabet,
erlesene Worte auf einem weissen Blatt.
Vermerke, Vermutungen, Träume, Bräuche,
Prinzipien, Zeremonien, Pflichten, Gehabe,
Komplotte, Liebe, Gerechtigkeit, Vernunft,
wenn es hochkommt,
eine Seite mit Eselsohr,
gegen das Vergessen.
Rezept aus der Medienküche
Man nehme einen Schnappschuss
von einem hochrangigen Herrn,
ein Bild von einer frivolen Dame,
verbinde die beiden mittels Foto Shop
zu einer eindeutigen Pose,
hänge eine unseriöse Bildlegende an,
würze den Text mit einer Prise
journalistischem Hochmut
und fertig ist das Gerücht.
An die Muse
Vielleicht wäre alles besser gekommen,
hätte ich von dir gewusst, bevor ich anfing
Verse zu schmieden. Kann sein, dass dann
weniger Schreibzeug und Papier verschwendet
worden wäre, ich mir nicht den Kopf zerbrechen und
zwei drei Leser sich die Mühe machen müssten.
Oftmals wär ich froh, um eine Wegweisung im Wortgestrüpp.
Weil du aber sehr beschäftigt bist mit arrivierten Schreibenden,
vergiss die Bitte, mir zu helfen.
Ob dein Beistand hilfreich wäre,
müsste sich ohnehin erst weisen.
Zuviel des Guten
Wenn ich geschrieben habe
was ich sehe, höre, rieche, schmecke,
fühle wie ich bin,
korrigiere ich es,
wie es anders sein könnte,
um es später zu überarbeiten,
weil es so nicht lesbar ist.
Verständlich, dass zuweilen nichts entsteht.
Ghostwriter
Anfangs hatte er noch vor,
sein erstes Buch selbst zu verfassen,
lehnte sich dann aber zurück,
machte es wie die Prominenz und
überliess die Arbeit einem Auftragsschreiber.
Jetzt prahlt der Debütant mit seinem Werk,
von dem er keine Ahnung hat,
wie es entstand.
Ungelegen
Zurzeit die Schreibzeit eingestellt,
weil das Wortfass überläuft.
Warte auf die Trockenzeit,
auf das Konzentrat.
Nicht umsonst
Lyrik kostet Zeit,
beim Schreiben wie beim Lesen.
Dann lieber dem Entbehrlichen frönen.
Zum Beispiel Dichter necken.
Rechtfertigung
Sie hat nichts getan.
Niemals und keinem.
Als sie ging, schrieb sie
schuldbewusst auf ein Papier:
Ich entschuldige mich für alles
Unterlassene!
Nachholbedarf
Ausgiebig nachgedacht
und Hefte vollgeschrieben.
Tod und Teufel zur Genüge.
Vom Leben nicht einmal ein Vers.
Vielleicht verlangt das Alter
einen Neubeginn.
Sonst wo
Zuweilen kommt mir vor,
als hüpfte ich auf Worten davon,
gibt der Schreiber halblaut zu.
Kann schon sein, sagt die Lektorin.
Denker sind immer einen Sprung woanders.
Im Zoo
Auf der einen Seite die Nachkommen,
auf der anderen Seite die Vorfahren.
Wer was über wen denkt, posaunen die einen
lauthals hinaus, von den anderen lediglich
ein prüfender Blick, der so alt ist wie die Zeit.
Verzögerung
Ob ich auch Texte für Kinderbücher schreibe,
wollte ein Illustrator wissen. Ich glaube,
sagte ich damals als Siebzigjähriger,
dass ich dafür noch zu unreif bin.
Optimistische Antwort
Lyrik schreibe er,
weil irgendwer von Hundert diese Verse lese und
Neunundneunzig sich ebenfalls bereichern wollen,
wenn auch mit reichlicher Verspätung.
Letzte Anordnung
Legt mir meine Prophezeiungen auf die Brust,
wenn ich dereinst ins Feuer gehe,
dass in Rauch aufgeht, was zeitlebens verkannt,
nicht, dass später jemand fündig wird und sagt,
seht her, hier hat es einer damals schon gewusst.
Erbaulich
Was für ein Wonnemorgen,
nach einer um Worte ringenden Nacht,
ein reines Gedicht von Rilke zu lesen.
Intellekt
Papierverschwendung,
sagt der Lyriker zum Prosaist,
der einen Roman schreibt
unter dem Titel „Weniger ist mehr“.
Begegnung
Als ich vorige Woche auf Seite
hundertachtundsechzig zufällig Goethe traf,
vergass ich ihn zu grüssen.
Halb so schlimm, sagte er beim Umblättern,
das ist mindestens schon tausend Mal passiert.
Randnotiz
Eigentlich wollte er darüber
eine Geschichte schreiben.
Als er sich dann intensiv damit befasste,
schien es ihm doch zu gewagt,
handelte es sich doch um Episoden,
die er bis anhin verschwiegen hat,
aus gutem Grund.
Einerlei
Keine Veränderung.
Seit Tagen das gleiche Wetter.
Um fünf Uhr Licht im Stall des Bauern.
Irgendwoher der Duft von frischem Brot.
Im Briefkasten keine Post.
Deshalb entsteht dieser banale Text.
Gewissheit
Nicht, dass ihr glaubt, es sei mir
nicht bekannt, dass alles schon
beschrieben wurde und ich es mir
ersparen könnte, Ähnliches zu Papier
zu bringen, doch gerade deshalb notiere ich es,
unsereiner will doch auch einer von ihnen sein.
Versunken
Der Winter streckt mir seinen
frostigen Arm entgegen, durchkreuzt
mit schneebedeckten Pfaden meinen Plan.
Ich sinne durchs Gestöber, versinke tief
im leeren weissen Blatt auf meinem Pult.
Probe
Einige Texte könnten dichter sein,
sagte die Lektorin,
deren Kompetenz und Offenheit ich schätze.
Beim Versuch verhaspelte ich mich im Gewirr.
Fand schnell wieder heim,
zu meiner durchlässigen Art.
Chancenlos
So viel erlebt,
dass er Romane schreiben könnte
und so wenig erreicht,
dass es nicht einmal für eine Kurzgeschichte reicht.
Heute sagt er nein,
zu allem würde er nicht mehr ja sagen.
Vergeblich
Da nützt auch grübeln nicht, sagt sie.
Wieso sich also den Kopf darüber zerbrechen?
Es reicht schon aus,
mit dem Alltäglichen zurechtzukommen.
Was ist schon dabei, wenn vergessen geht,
das ohnehin nicht wert ist,
etwas darüber zu schreiben.
Rechtfertigung
Lang und breit
erklärte der Prosaist dem Lyriker
sein ellenlanger Text,
den dieser knapp zur Kenntnis nahm.
Wortfischer
Tagsüber ordne ich die Wörter,
die mir nachts ins Netz gehen.
Manchmal ist es gar nicht einfach,
weil sich einige sträuben,
ans Licht zu kommen.
Dauerhaft
Sein ganzes Leben lang schrieb er
an der gleichen Geschichte,
ohne an einen Schluss zu kommen,
als fürchtete er sich vor dem eigenen Finale.
Stümperhaft
Das Gedicht,
das ich eigentlich
nicht schreiben wollte,
gelang mir auf Anhieb,
liest sich wie ein Klecks
im Reinschreibeheft.
Anpassung
Früher sagte sie nichts.
Wenn sie heute redet,
hört ihr keiner zu,
weil niemand annimmt,
dass sie spricht.
Einstmals
Damals, als die Zeit noch lang war,
die Freude platzte beim Naschen einer Zeile Kirschschokolade,
der Rauch von der einzeln gekauften Zigarette sich kringelte,
Einrad fahren grosse Sache war,
Barfuss laufen Sommer hiess und Kuhnagel Winter,
Kleider der älteren Geschwister ausgetragen wurden
und man nichts hätte anders haben wollen,
ausser vielleicht, nicht mehr in die Schule müssen,
um sechzig Jahre später die Augen darüber
zum Leuchten zu bringen.
Hinterher
Als alles Bemühen nichts mehr nützte,
schrieb er die Worte auf.
Doch es waren Texte im Sand,
die die Flut verwischte.
Zuallerletzt noch einmal der Versuch,
doch waren es nur noch Gedanken,
die der Wind verwehte.
Als er tot war, wollten alle wissen,
was es nicht gab.
Chimäre
Kennst du das auch,
mitten in der Nacht erwachen,
Licht machen und am Morgen
im Notizbuch ein Gedicht aufspüren,
das sich davongeschlichen hat
wortlos.
Sommerwinter
Im Ohr der Wurm,
Pack die Badehose ein,
während ich
vermummt durch die
verschneite Landschaft stapfe
und einen heissen Tee begehre.
Abbild
Hatte vor ein Gedicht zu schreiben,
das ein Hit werden sollte,
liess es aber aus taktischen Gründen sein,
wer will schon zig Mal das Gleiche lesen.
Kontroverse
Das Gespräch zog sich noch lange hin,
obwohl das Thema längst zerredet war
und die Stimmung schal, wie in den Gläsern
das abgestandene Sodawasser.
Gegensatz
Ich lese und verstehe es nicht.
Wieso also lesen?
Weil man ohne Lesen nichts versteht!
Schulunterricht
Wer die langen Gedichte nicht
auswendig konnte erhielt Tatzen.
Womöglich ein Grund,
weshalb ich mich seitdem kurz fasse.
Egal was es dafür abgibt.
Bleibenlassen
Für das, was ich
im Kern empfinde,
finde ich keine Worte,
lasse deshalb das Schreiben sein,
dass der Zauber bleibt im Herzschlagtakt.
Kalkulierte Nachrede
Der Vater egoistisch, die Mutter überspannt,
ihre Kinder frech, die Grosseltern bankrott,
seine Tante hinterhältig, der Bruder Trinker,
ihr Onkel im Knast, der Cousin Dealer und hinter
vorgehaltener Hand, sein Schwager pädophil.
Im trauten Kreis nicht die geringste Andeutung,
jemandem etwas anzuhängen,
man will ja ungeschoren davonkommen.
Angeber
Habe nichts versäumt,
prahlt der Wankelmut.
Meinst du, schweigt das Erhoffte.
Möglichkeit
Einladend wirkt sie nicht, die Nebelbank,
doch zieht es ihn ins Ungefähre,
vielleicht ist es die Erfahrung wert,
denkt er, Schemenhaftes auszumachen,
das an klaren Tagen unsichtbar ist.
Life Sendung
Letztendlich gab er sich geschlagen,
gratulierte dem Sieger überschwänglich,
lachte für Daheimgebliebene in die Linse und
schlug für sich die Faust gedanklich auf den Tisch.
Lebensformen
Lesen und schreiben,
beides Möglichkeiten, sinnvoll zu leben.
Dennoch kommt oft die Frage auf nach Nützlichkeit,
wie bei allem, das vielfach nur dem Selbstzweck dient,
nichts abwirft und daher eigentlich überflüssig ist.
Zeitweilig
Manchmal lässt man uns so, was wir sind.
Manchmal macht man aus uns, was wir sein sollten.
Manchmal machen wir aus uns, was wir sein möchten.
Manchmal machen wir aus uns gar nichts.
Einmal werden wir sein, was wir nicht mehr sind.
Zuletzt
Nichts,
was ich geschrieben habe, bereue ich.
Ärgern könnte mich,
wenn ich es dann noch wüsste,
was ich hätte tun sollen,
um am Ende ganz gewesen zu sein.
Ausklang
Egal, wieviel man zeitlebens schreibt.
Am Schluss genügt ein einziges Wort.
Amen!
Wege
Hinweis
Wenn du nicht mehr kannst
beginnt es…
Einspruch
Mag sein, dass man Bergsteiger beneidet,
um den Schneid, das Gipfelglück, die Weitsicht,
dann aber, an die Höhenangst denkend, froh darüber,
nicht gleichgestimmt zu sein.
Nächtigung im Freien
Erwachte mitten im taufrischen Gras,
um mich herum nur Schweigen
und fast ein mulmiges Gefühl,
allein zu sein auf dieser Welt,
bis ich sie wahrnahm,
die Ameise auf Augenhöhe.
Läuterung
In mir der andere, mit dem ich wandere,
trägt Schicht um Schicht von meiner Plattheit ab,
bis nur noch bleibt was weiterführt.
Rückeroberung
Über dem Alltag,
fern vom Gleichmass,
jenseits aller Spekulation,
wo das Tagwerk mit dem Erwachen beginnt,
nach der Dämmerung endet,
wo ich hören, fühlen, riechen, sehen kann,
die Arbeit mühsam ist und die Stirn schweissnass,
drehen die Zeiger meiner inneren Uhr natürliche Runden.
Weggefährte
Du denkst,
du seist zu zweit und suchst
nach einem tröstenden Wort,
doch ist es nur der Wind,
der dich seufzend begleitet.
Bergversessen
Oben ist nicht Schluss.
Nachbarberge locken,
um oben Nachbarberge
auszumachen, die locken.
Gebirgsbibliothek
Berge sind Bücher,
deren Geschichte im Gestein
gelesen werden muss.
Ausmarsch
Behände über Stock und Stein,
als ging‘s der Kindheit zu,
bis der kurze Atem mahnt:
Das war einmal.
Nachdruck
Mit jedem Höhenmeter
gelange ich tiefer in den Fels,
der mich bezwingt.
Ansicht von oben
Felsen, Alpweiden, Vieh
und Arbeit allemal genug.
Ein Leben, hart, karg und schön zugleich.
Keine Klagen. Wenig Worte.
Raue Hände und zerfurchte Gesichter.
Klarheit, wenngleich die Nächte lichtlos sind.
Der nächste Nachbar ausser Sicht.
Wer‘s einsam will,
geht runter in die Stadt.
Klettern
Von unten bis oben
sind es tausend Meter.
Leicht zu berechnen.
Dazwischen heikle Stellen,
wo Schulwissen nichts mehr nützt.
Nachkommend
Als es passierte
war er um die vierzig.
Der Aufprall zwanzig Meter tiefer,
hat ihn das Gehen gekostet.
Wenn er im Rollstuhl seine Augen schliesst,
kommt er noch immer auf den Berg,
schwindelfrei ist er jedoch nicht mehr.
Erinnerungsstück
Mein Rucksack und ich abgewetzt,
an hunderten Bergen und drei Stürzen.
Zwei Jahrzehnte ein vertrautes Paar.
Jetzt hängt er an einem Haken
und träumt vielleicht wie ich,
von kühnen Taten, besonnten Tagen,
eisigen Nächten und seltenen Ausblicken.
Ob er sich an den Ruhestand gewöhnt
und der neue an meinen Rücken,
wird sich weisen.
Wagnis
Ich wage mein Glück,
auch wenn es mich hinaufführt
in unwegsames Gebiet,
mitunter erst recht.
Gratwanderung
Steil ist der Weg und tückisch.
Links und rechts gähnt Tiefe.
Grenzen ausloten verlangt Trittsicherheit.
Gib dich zufrieden wie es ist.
Fordere nicht was möglich wäre.
Bleibe was du bist.
Am Berg
Im Aufwind tanzt
die Alpendohle ihr Ballett.
Die Schwerkraft mahnt.
Obacht geben Schritt für Schritt.
Flüchtiges Ereignis
Unterwegs auf einem Bergweg,
packt sie ohne jegliche Vorwarnung aus,
vielleicht fünfzig und brünett,
von der traurigen Jugend, der Misshandlung,
vom lieblos gemachten Kind, dem Suizid der Mutter,
der vermaledeiten Verwandtschaft und welche
Hürden sie sonst noch zu bewältigen habe.
Dann schaut sie hastig auf die Uhr, sagt tschüss und geht.
Seltsam denke ich, neben dem tosenden Bach,
wie mich jemand mit seinem Leben stehen lässt,
das mich eigentlich gar nichts angeht.
Leichte Schritte
Heute kein Bedürfnis nach Gelehrsamkeit,
lieber noch ein Stück des Wegs,
der mir bekannt, damit ich weder links noch rechts
mich wundern muss am Schönen, Unbekannten.
Tage gibt’s, da reicht es aus, zu wissen,
dass es Dinge gibt, die einen übermannen und
man sich schont, das heisst,
das Herz nicht allzu sehr belastet.
Begehr
Gerne würde ich mich austauschen,
nicht unbedingt mit Gleichgesinnten,
eher mit kritischen Verbündeten,
die Schlupflöcher erwähnen,
welche der Alleingang übersieht.
Spielart
Alt werden -
langsamer Blattverlust,
um letztlich als kahler Baum,
umgeben vom welken Laub,
den erlösenden Wind erwarten.
Erwägung
Weshalb es mich immer in die Höhen zieht,
kann man nicht den Bergschuhen zuschieben.
Auch am Rucksack liegt es nicht und die Steigeisen
haben ebenfalls nichts damit zu tun.
Ebenso kann das Bergseil nicht dafür verantwortlich
gemacht werden, obwohl es zwei Enden hat.
Am wenigsten trifft den Eispickel die Schuld.
Bleibt anzunehmen, dass ich selber Anlass dazu gebe.
Gipfelrast
Nach anstrengendem Aufstieg
ist es leicht,
die Sprache der Berge zu verstehen.
Steinern mustern sie mich.
Einvernehmlich nicke ich ihnen zu.
Im stummen Zwiegespräch
sind wir uns einig,
verbunden auf Zeit.
Verabredung
Wenn mich die Wanderlust packt,
verabrede ich mich manchmal mit dem Wind.
Ich begegne ihm überall und jederzeit:
Im Frühling beim Blütenbestäuben,
im Sommer beim Stirne trocknen,
im Herbst beim Blätterrascheln,
im Winter beim Flockentreiben.
An einem Sonntagmorgen traf ich ihn
auf dem Weg zum Gipfelkreuz und trug
ihm meine Wünsche auf für alle Himmel.
Nachlass
Ich hatte es doch gut,
schrieb sie zuletzt ins Tagebuch,
was ihre Erben verärgerte,
die alle leer ausgingen.
Am Fluss
Nach langem Schauen in den Fluss bemerkt,
was nicht Widerstand leistet lässt sich treiben.
Knechtenheim
Solange es ging geschuftet,
danach versorgt, weitab vom Dorf,
damit man Ruhe hat.
Wenn’s hoch kommt,
einen Stumpen auf der Bank,
Vorbeifahrenden winken und weiterhin
angewiesen sein auf das Gnadenbrot.
Knecht bleibt Knecht.
Antreiber
Der Winter ist ein Schinder.
Jedes Frühjahr sind die Wege länger,
die Anstiege steiler, die Stufen höher
und die Beine kürzer.
Ermutigung
Eines Morgens,
als der Wind einschlief,
über mir der Adler seine Kreise zog,
flog mir ein Lied von Freiheit zu,
dass ich nicht umhin kam,
den Tag jetzt schon zu loben.
Bereit
Beim Abschied
deine schwere Hand
nun leicht
wie ein Vogel
der auffliegt
ohne Wiederkehr.
Fingerzeig
Viele werden es erfahren, sagt die
brüchige Stimme aus dem Bettkäfig,
dass die Vergangenheit mehr zählt als das Jetzt,
weil Zukunft nun ein Fremdwort ist.
Was zuvor nicht geregelt wird,
kann hier nicht mehr entschieden werden.
Wer nicht den Mut aufbringt,
zur rechten Zeit für sich zu sorgen,
muss wie ich hier, das Ende
fremdbestimmt erleben.
Kurzum / Sparsamer Umgang
Ein Narr,
wer glaubt,
auf Narren verzichten zu können.
ICH LIEBE DICH,
stand auf dem Kärtchen im Rosenstrauss.
Kurz danach liessen sie die Köpfe hängen.
Der Bettler hockt am Boden.
Almosen fordern einen Knicks.
Mutter!
Ein bescheidenes Wort
mit enormer Nachhaltigkeit.
Chip, Chip, Hurra,
riefen die Handy-Fans,
als ein neues Smartphon
auf den Markt kam.
Also doch.
Jesus lebt.
Die Suche wird fortgesetzt.
Freiheit beginnt mit dem Ausziehen
der Zwangsjacke.
Wer weiss, was der Affe sieht
beim Anblick des Menschen.
Seit mir die AHV das Maul stopft,
mundet mir jeder Bissen.
Sie ging bei abnehmendem Mond,
nun fehlt beiden die Hälfte.
Das Ungewisse und die Stille.
Gefährten der Nacht Seite an Seite.
Beim Betrachten des Klatschmohns
nichts als Stille.
Schnee muss her,
um später keinen zu haben.
Aufrecht stehend sah ich
über der Erdkrümmung
mein Traumschiff entschwinden.
Immer,
wenn sein Kirschbaum voll hängt,
isst er nie mehr als eine Handvoll davon.
Scheinbar hat er so grösseren Anteil an der Fülle.
Deutlich liest sich
das Ungesagte
in deinen Augen.
Manchmal gelingt mir
auf Anhieb was ich
sein lasse.
Das muss geübt werden,
ohne einen Finger zu rühren,
nichts tun.
Heute heisst es mega geil
und wir Alten rümpfen die Nase.
Als Kinder sagten wir unverschämt,
das dem Vater den Kopf schüttelte.
Beim Anblick der Blumenwiese
wurde die Sense stumpf.
Ein Steinwurf,
schon zittert der glatte See.
Der See,
ein Spiegel auch dem,
der nicht hineinsieht.
Totenstille, wäre da
nicht mein Herzschlag.
Viel hatte er nie
übrig für Weniges.
Macht macht ohnmächtig,
dass den Mächtigen zuweilen
die Vernunft abhandenkommt.
Beizensterben.
Im Quartier
beginnt die Trockenzeit.
In der Natur spielen wir
die erste Geige
bis alles flöten geht.
Als Fremder gehört
man fast zu denen,
die nicht gekommen sind.
Das Januarloch im Kaufhaus,
stopft der Schnee im Skigebiet.
Schreiben ist des Dichters Mund.
Gott.
Er, der immer das ist
in unendlicher Absenz.
Ersann mir etwas Grosses,
fiel prompt darauf herein.
Schleifenden Fluges zerschneiden
Schwalben schwarzweiss
das gesättigte Blau.
Nichts ist
nicht Nichts,
sonst könnte man
es nicht benennen.
Noch bin ich
den Höhen zugetan,
doch zieht der Adler seine Kreise
entfernter über mir.
Verschlossener Hühnerstall.
Die Neuschneespur verrät,
der Fuchs hat kontrolliert.
Mutig gelb sprengt
der Löwenzahn
den Asphalt.
Mond - verschwiegener
Kumpan - verrät nicht unsre
traute Zweisamkeit.
Himmelblaue Augen
erdulden
höllisches Treiben.
Jeder Herzschlag mehr
ist einer weniger.
Auf meiner Suche
nach dem Sommer,
ein Enzian weiss leuchtend,
wie Schnee.
Nachtstille.
Eine Sternschnuppe
unterstreicht mein Lauschen.
Für kühlere Zeiten
deine wärmenden Worte
im Ohr.
Die gemästete Wohlstandsgesellschaft
füttert Kehrrichtsäcke mit Fressalien,
dass den Hungernden der Magen knurrt.
Als Jungspund ist nichts steil genug.
Im Alter ist die Horizontale oberstes Limit.
Zeit ist, was nicht übrig bleibt,
wenn sie abgelaufen ist.
Im Spiegelbild
feiert rotgelber Ahorn
doppelten Herbst.
Auf die Frage nach dem Wo,
zeigt der Kompass dort.
Junges Gemüse lockt
alte Hasen aus der Deckung.
Anna und Otto liest man verkehrt.
Buchstäblich
kämpfen Kurz und Lang
um die Vorherrschaft.
In Geschwistern
pulsiert gleiches Blut
durch individuelle Bahnen.
Alles muss geschehen
bevor es nicht sein soll.
Etwas das ich nie vergesse,
ist das Ding, das Runde, das Glatte,
das - wie heisst es doch gleich.
Tod.
Drei Buchstaben
Bezwingen das Leben.
Köpfe mit offenen Mäulern,
skizziert vom stummen Maler,
damit auch er zu Wort kommt
in der geschwätzigen Welt.
Welche Wonne Heidelbeeren zu naschen.
Sang mit blauen Fingern ein heiteres Lied.
Plagen den Promi Flatulenzen,
stinkt schon die halbe Welt.
Als Hauptspeise genügt Natur.
Kultur ist Zugemüse.
Die neuste Mode
bewahren die Älteren
seit Jahren im Schrank.
Hunger,
allein das Wort
liegt schwer im Magen.
Sie haben Glück sagt der Obdachlose,
heute bettle ich zum halben Preis.
Ignoriert man die Medien,
könnte man meinen,
in der Welt sei alles in Ordnung.
Im Grunde ist Besitz nichts
als Angst vor Verlust.
Das soll mal einer löschen,
sagt der Feuerwehrmann
bis zu den Hüften im Hochwasser.
Kichernd verhöhnt die Verschwendung
die stumme Not.
Das Gefühl, nichts ausgelassen zu haben,
sättigt das Verlangen nach Unerreichtem.
Eiskristalle sind eine Entschädigung
für den Verlust von Blumen.
Beim Schreiben gelangt man an Orte,
wo man sonst nicht hinreisen würde.
Ins Handy tippend sitzen sie
stumm beisammen, wie damals,
als sie sich noch nicht kannten.
Nachts wecken mich Worte,
die ich tagsüber in den Schlaf wiege.
Angeblich haben die Schotten
vierhunderteinundzwanzig Wörter für Schnee.
Hier geben sich Touristiker mit zwei zufrieden:
Weisses Gold.
Gesundheitsstrahlendes Obst
an gespritzten Bäumen
auf überdüngten Böden.
Winterkonzert im Garten.
Stieglitze bedanken sich
für die Distelsamen.
Schwarzgetupftes Blau.
Ein Krähenschwarm
erforscht den Himmel.
In der Stadt
streift alle hundert Meter
ein gelbes Zebra den Asphalt.
Heimat,
sechs Buchstaben
die verbinden.
Irgendwie peinlich,
den Namen des Esels zu vergessen,
der über seine Brücke begehbar schien.
Ostern,
in der schneegefleckten Wiese feiern
Frühblüher ihre Auferstehung.
Die Nähe zum Handy
führt auseinander.
Nach dem Besuch im Pflegeheim
sind die eigenen Beschwerden kleiner.
Daas wichtikste
am Dickdat
isst die rechtsschreipungg.
Placebo,
Wundermittel
ohne Nebenwirkungen.
Vielleicht haben wir zwei Ohren
und nur einen Mund,
weil wir mehr zuhören
als reden sollten.
Dass Geld nicht
unbedingt glücklich macht,
ist den Armen kein Trost.
Die Jungen laufen schneller.
Zum Ausgleich wissen die Alten den Weg.
Was sind wir doch
Einzelgänger geworden
im Gleichschritt.
Das Paradies muss ein fürchterlicher Ort sein,
dass sich der Mensch ein Leben lang sträubt,
dahin zu gelangen.
Wenn der letzte Vorhang fällt.
beginnt das Erben Theater.
Vom Schlechten weiss man erst,
wenn man es hat, dass es nicht fehlte.
Curriculum Vitae.
Weshalb einen Lebenslauf schreiben,
wenn man nicht weiss, wie lang es dauert.
Banker und Bergführer
sollten schwindelfrei sein.
Was wäre
das Vaterland
ohne Mutter?
Überbevölkerung.
Den Menschen fehlt der Wolf.
Reinheit des Winters.
Altlasten versinken im Neuschnee.
Was auch geschieht,
es wird gewesen sein.
Ach,
könnte ich wie das Herbstlaub
im Loslassen tanzen.
Wer hätte das gedacht,
sagte der letzte Mensch.